Wahlwiederholung: Berliner Kluft

Nr. 7 –

«Ich liebe diese Stadt», verkündete Franziska Giffey noch am Wahlmorgen. Zurückgeliebt wurde aber nicht: Nach etwas mehr als einem Jahr als Bürgermeisterin hat Giffey am Sonntag mit 18,4 Prozent das schlechteste Ergebnis für die SPD in der deutschen Hauptstadt seit Ende des Zweiten Weltkriegs eingefahren. Gewinnerin der Wiederholungswahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus ist die CDU. Sie konnte im Vergleich zu den Wahlen im Herbst 2021 zehn Prozentpunkte hinzugewinnen und wurde mit grossem Abstand stärkste Partei. Allerdings ist gut möglich, dass sie bei der Regierungsbildung nicht zum Zug kommt: SPD, Grüne und Linkspartei wollen ihre seit 2016 bestehende Koalition gerne fortsetzen, eine Mehrheit der Sitze haben sie.

Dass die Wahlen überhaupt stattfanden, ist bemerkenswert: Weil die Stimmabgabe im September 2021 im Chaos versank, wurde richterlich eine Wiederholung angeordnet. Nicht wiederholt werden musste indes die damals ebenfalls stattfindende Abstimmung über die Initiative «Deutsche Wohnen und Co. enteignen». Eine Mehrheit von 59 Prozent befürwortete die Vergesellschaftung von Wohnraum. Dieses klare Votum wurde bislang nicht umgesetzt. Vor bald einem Jahr beauftragte die Berliner Landesregierung eine Expert:innengruppe mit der Prüfung der Umsetzung. Im Dezember 2022 gab diese in einem Zwischenbericht bekannt, das Vorhaben rechtlich für grundsätzlich möglich zu halten. Ende März läuft die Frist ab, die der Kommission für die Bewertung gesetzt worden war. Ob es dann zur Vergesellschaftung kommt, ist offen.

Dass sich die Prüfung in die Länge zieht, dürfte das Vertrauen in demokratische Prozesse nicht gerade steigern. Die Kluft zwischen den Berliner:innen und den sie Regierenden scheint dieser Tage gross wie selten. Die jetzige Koalition hat zwar wieder eine Mehrheit, ist aber zugleich die unbeliebteste Landesregierung in der ganzen Bundesrepublik. Nur 24 Prozent der Berliner:innen finden, sie mache ihre Arbeit gut. Doch auch alle anderen möglichen Koalitionen – ein Bündnis aus CDU und SPD oder CDU und Grünen – wurden in Nachwahlbefragungen mehrheitlich für schlecht befunden. Zu dieser Unlust passt die gesunkene Wahlbeteiligung. Nur noch 63 Prozent der Stimmberechtigten gingen wählen, 2021 waren es noch etwas über 75 Prozent gewesen. Auch wenn diesmal das Chaos ausblieb: Funktionierende Demokratie sieht anders aus.