Feudaler Rassismus für den alten Kern

Der Machtverlust der Zürcher Elite hat etwas Tragisches. Zuerst war da die Zeit der Französischen Revolution 1798, seit der die Zürcher Zünfte nicht mehr die alleinigen politischen Herrscher über Zürich sein dürfen. Aus diesem Vakuum heraus begannen sie ab 1818 mit kleinen nächtlichen Umzügen, aus denen sich das «Sechseläuten» entwickelte.

Seit 1866 haben die Zünfter nicht einmal mehr das alleinige Wahlrecht. Natürlich: Dank der immensen Reichtümer und Privilegien, die sie von ihren kolonialistischen Vorfahren vererbt bekommen haben, sind sie auch heute noch mächtig. Doch so gross ihre Villen auch sein mögen, so millionenschwer ihre Vermögen und so weitreichend ihr Einfluss auf Politik und Wirtschaft: Es ist halt schon nicht mehr dasselbe wie im 19. Jahrhundert, als der Kolonialismus noch zum guten Ton gehörte und man stolz sein durfte, Sohn eines erfolgreichen Sklav:innenhändlers zu sein.

Jetzt aber, wo auch noch der Finanzplatz Zürich ins Wanken gerät, leidet die städtische Elite unter Verlustangst. Umso fester klammert sie sich nun an das, was ihr (neben dem vielen Geld und all ihren sonstigen Privilegien) noch bleibt: die Tradition. Und so geht es nun mehr denn je darum, Männer mit ähnlichen traditionellen Interessen zu vereinen, «in welchen der alte Kern der Bürgerschaft die Liebe zur Vaterstadt, zur engern und weitern Heimat, einen gut bürgerlichen Sinn und das Verständnis für alte zürcherische Sitten, Gebräuche und Feste wachhält und pflegt» (Zunft zur Schmiden, 1900).

Mit was für einer Belustigung liesse sich dieser alte Kern besser pflegen als mit feudalem Rassismus?

Am vergangenen Samstagabend, am «Ball beim Bögg» im noblen Restaurant Terrasse, hat das prächtig funktioniert. Die geschlossene Gesellschaft jedenfalls hat sich köstlich amüsiert, wie auf einem Clip zu sehen ist, der dem «Tages-Angzeiger» zugespielt wurde. Muss ja auch wahnsinnig lustig sein: so ein Mann mit schwarz bemaltem Gesicht und Kraushaarperücke, der sich im Gespräch mit einem als Frau verkleideten Mann mit blonder Perücke einen Knochen zwischen die Beine hält. Und fast noch lustiger ist für eine solche Runde offenbar eine als Sexarbeiterin verkleidete Frau, die einen portugiesischen Akzent nachahmt. Endlich mal darf man sich wieder ungeniert über Minderheiten lustig machen. Der gute alte Kern. Man ist ja unter sich.

Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.