Auf allen Kanälen: Das Maga-Spektakel
Donald Trumps Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski im Weissen Haus war mehr als ein diplomatischer Eklat. Es war ein Selbstporträt der Macht.

Zu Wolodimir Selenskis Rechter lag vielleicht so etwas wie das Symbol dieser Pressekonferenz, sofern man die Vorführung des ukrainischen Präsidenten im Weissen Haus vergangenen Freitag überhaupt als solche bezeichnen kann: ein Gürtel, den der ukrainische Kampfsportler Oleksandr Ussyk vergangenes Jahr gewonnen hatte. Selenski hatte ihn Donald Trump als Geschenk mitgebracht. Passend dazu persiflierten KI-generierte Videos, die seitdem im Netz kursieren, das Treffen als wilde Prügelei vor dem Kamin im Oval Office.
Eigentlich hätte es um die Unterzeichnung eines Rohstoffvertrags zwischen den beiden Nationen gehen sollen, doch dazu kam es nicht. In den letzten Minuten eskalierte das Gespräch, Trump behauptete danach, Selenski sei «nicht bereit für Frieden». In der Nacht auf Dienstag stellte er die US-Militärhilfen an die Ukraine bis auf Weiteres ein.
«Grosses Fernsehen»
Das Treffen war von Beginn an eine Machtdemonstration Trumps: Er gerierte sich als dealsuchender Mafioso, sagte wiederholt, Selenski habe «keine Karten», verteidigte den Aggressor (Wladimir Putin) als Opfer und inszenierte den ukrainischen Präsidenten als hasserfüllten Friedensverhinderer. Patzig wählte er die Journalist:innen aus, die sich um die Polstergruppe im Oval Office drängten, lobte ihre Fragen, wenn sie ihm schmeichelten (mehrere adressierten ihn als «Friedensbringer»), und freute sich über diejenige des Ultrarechten Brian Glenn: Warum Selenski – der seit Kriegsbeginn all seine Termine in militärischer Funktionskleidung absolviert – denn keinen Anzug trage. Schliesslich nahm Vizepräsident J. D. Vance eine Nachfrage Selenskis zu den möglichen Folgen der «Diplomatie» zu Putins Gunsten als Anlass, ihm Undankbarkeit vorzuwerfen und ihn gemeinsam mit Trump hemmungslos zu massregeln: Er sei respektlos und riskiere einen dritten Weltkrieg – ein propagandistisches Schlüsselargument Putins.
Diese Disziplinierung vor laufenden Kameras kam mit der Wucht der Bestrafung desjenigen, der sich nicht bedingungslos der Autorität unterordnen will. Es war eine auf die Show ausgelegte Demütigung, eine, die Trump nur noch die Kulisse dafür liefern sollte, das zu tun, was er ohnehin tun will. «Wir haben genug gesehen», sagte Trump denn auch zum Schluss, «das wird grosses Fernsehen.»
«Das Herz des Irrealismus»
Und das wurde es dann auch: Talkshow um Talkshow sezierte man nun das Gespräch, Körpersprache-Experten, die Männer fürs Grobe in Sachen Diskursanalyse, lasen Selenskis verschränkte Arme als defensiv, Analyse um Analyse wurde darüber sinniert, ob die Eskalation geplant gewesen sei, Artikel um Artikel die Geschichte eines KGB-Agenten aufgewärmt, Trump sei ein «Asset» von Putin und schon in den achtziger Jahren als Quelle oder Spion, man weiss es nicht so genau, von Russland rekrutiert worden. Es passt immer alles zusammen, wenn man sichs so überlegt. Und wenn man sichs anders überlegt, verwies diese Art der Berichterstattung auch darauf, dass neben ein paar wenigen Erklärungen für das, was da gerade passiert, viel Wesentliches nicht gesagt wurde.
Der französische Philosoph Guy Debord beschrieb vor bald sechzig Jahren das, was er als Spektakel definierte, als «Selbstporträt der Macht», und vielleicht lässt sich damit über diesen Moment nachdenken: Dieses Treffen zwischen Trump und Selenski war keine Verhandlung, keine Pressekonferenz, kein diplomatischer Eklat. Es war ein Spektakel, «das Gegenteil des Dialogs», wie Debord meinte, denn «es stellt alles zur Debatte – nur nicht sich selbst».
Trump und Vance sind nicht bloss die zwei «Loser, die so tun, als gehöre ihnen die Bar» (CNN), sie sind die Autoritären, die über Macht verfügen, Unterwerfung fordern und sich dann laufend der Ohnmacht der Unterworfenen versichern.
Die als gnadenlose Politik inszenierte gnadenlose Politik, die Hinwendung zum Primat des Stärkeren, sie ist nicht bloss Show, sie ist das Wesentliche. Das Spektakel, schrieb Debord denn auch, ist «kein Zusatz zur wirklichen Welt, kein aufgesetzter Zierrat», sondern «das Herz des Irrealismus der realen Gesellschaft», das gegenwärtige Modell «des gesellschaftlich herrschenden Lebens». Das ist die Gegenwart: Trumps zur Schau gestellter Autoritarismus ist Teil davon.