Wichtig zu wissen: Ich glaube an Telefonie
Ruedi Widmer über KKS und Jass und Ananas

Die mittlerweile weltweit bekannte Telefonjasserin Karin Keller-Sutter hat im Weissen Haus mitjassen und trumpfen dürfen. Nach ihrem Spiel stiegen oder sanken die Zölle ins Minus, die Aktienkurse in den Himmel, der Weltkrieg mit China wurde gerade noch abgewendet, und der amerikanische Präsident hat jetzt ihre Telefonnummer.
Die Welt wurde soeben von KKS, wie das einzige menschliche Kernkraftwerk im Schweizer Volksmund auch genannt wird, gerettet. Superwoman.
Trotz aller Skepsis muss man zugeben, dass dies durchaus möglich ist. Die Migros-Restaurant-Kundin, Nichtwinzerin, Nichtschafhalterin und Nichtpianistin versteht es als St. Gallerin (und gar als einzige Nichtbäuerin im Bundesrat) durchaus, mit grossen Tieren und grossmäuligen Hanswürsten (ohne Senf) umzugehen, beispielsweise an der Olma.
Sie packt diese genau an ihren Telefonhörern und zeigt, wer die Meisterin im Saustall ist. Und weil dieser Stall sich inzwischen weltweit ausdehnt, ist die Wilerin gefragt wie nie.
Sie erhielt noch am gleichen Tag Angebote für weitere schwierige Telefonate, beispielsweise im Scheidungszwist zwischen Alt-US-Präsident B. Obama und Alt-First-Lady M. Obama; in der Ehekrise zwischen Justin und Hailey Bieber und beim Wiedervereinigungsversuch von Jennifer Lopez und Ben Affleck. Ausserdem soll sie bei den Krisen von FC Lugano, FC Schaffhausen, FC Schalke 04 und im Red-Bull-Formel-1-Team ihre telefonischen Kräfte nutzen.
Man sollte aber nicht zynisch werden. Immerhin besteht mit dieser neu abgespeicherten Schweizer Telefonnummer die Chance, dass Trump vielleicht doch einmal KKS anruft, ihr gegenüber sein Herz ausschüttet und über alles, was in den letzten Wochen passiert ist, redet («Jetzt redet Trump»). Denn dieser Mann steht unter einem gewaltigen Druck. Sowohl die Republikaner:innen als auch die Welt erwarten von ihm böse Taten, weil er der Bösewicht ist. Und Trump versucht, vielleicht sogar verzweifelt, dieser Rolle gerecht zu werden. Jeden Abend überlegt er, was er am nächsten Tag noch Krasseres anordnen könnte, damit die Leute Angst vor ihm haben.
Dass übrigens St. Galler Olma-Bratwürste ohne Senf gegessen werden müssen, ist einer dieser Allgemeinplätze, die nur noch bei jenen, die sie lauthals statuieren, als Geheimtipp gelten. Ebenso die Behauptung, dass kein Italiener eine Pizza Hawaii essen würde und Ananas nicht auf die Pizza gehöre. Ich habe deswegen schon seit Jahrzehnten keine Ananas mehr auf eine Pizza getan, obwohl ich das als Kind eigentlich mochte. Anti-Ananas-Memes und Youtube-Filme aus den USA zementieren die Sündhaftigkeit des Vorgehens noch mehr.
Ein griechischer Pizzaiolo in Kanada habe 1962 mit der Ananas begonnen, weiss eine Ecke dieser unerschöpflichen Debatte im Netz. Schande – ein Grieche! Doch wird die Erfindung der Pizza den Etruskern und Griechinnen zugeschrieben. Und exotische Gewächse auf einer Pizza? Warum nicht? Schon mal ist eins draufgekommen, nämlich die südamerikanische Tomate, ab dem 15. Jahrhundert.
Wie es scheint, nehmen die Italiener:innen das Ananasthema selber nicht allzu ernst (dort ist es ein Fall für den Ananasthesisten). In Italien wird alles Mögliche auf eine Pizza getan, Baccalà, Kartoffeln, was halt wächst am Wegesrand und Meeresstrand. In New York sah ich vor vielen Jahren eine Pizza mit Spaghetti drauf. Eine Pizza mit Brombeeren, das geht übrigens auch (bei dailyvegan.de), und zwar zusammen mit Spinat und Ricotta. Oder mit Äpfeln und Curry, mit Poulet, mit Pommes frites, mit Fischstäbchen (Iglo), alles ist möglich, auch Bananen (in Brasilien beliebt).
Aber Ananas? KEINESFALLS!
Übrigens werden alle Pizzen weltweit ganz sankt-gallerisch ohne Senf gegessen. Durchgesetzt hat dies einst KKS mit geschickten Telefonaten.
Ruedi Widmer hat Appetit in Winterthur und sieht gerade, dass es bei fooby.ch (von Coop) auch ein Rezept für eine Pizza Spaghetti gibt.