USA: Nach der Flut die Pleite?
Es ist Katastrophensaison in den USA: An der Westküste wüten die Waldbrände, Hurrikan Idalia setzt Florida unter Wasser. Die Katastrophen werden mit jedem Jahr schlimmer, und sie werden unvorhersehbarer – man denke an den Waldbrand im sonst von Regen verwöhnten Maui oder den Hurrikan Hilary in Los Angeles.
Aber auch die Katastrophen, mit denen man rechnet, werden kostspieliger. Die USA sind ein Land, in dem mehr und mehr das Eigenheim die einzige Wertanlage ist und für viele die einzige Altersvorsorge. Innerhalb eines Jahrzehnts verkaufen etwa 25 Prozent der amerikanischen Rentner:innen irgendwann ihr Eigenheim, um an Liquidität zu kommen.
Da ist die akute Bedrohung durch Naturgewalten potenziell fatal. Und zwar selbst für jene Häuser, die die Katastrophen überstehen. Die Häuser müssen sich auch wieder verkaufen lassen, sonst ist das in ihnen angelegte Geld weg. Wenn Sie sich fragen, wieso Häuser, denen alle zwei Jahre eine Feuerwalze oder der Ozean droht, überhaupt noch etwas wert sind, dann lautet die Antwort mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit: Versicherung.
Nur: Mit sich immer weiter verschlimmernden Naturkatastrophen wird diese immer unerschwinglicher oder steht einfach gar nicht mehr zur Verfügung. Mindestens ein Dutzend Versicherungsfirmen haben allein Florida den Rücken gekehrt. Die Staaten steuern mit Gesetzen gegen, was aber am Ende dieses Prozesses stehen wird, ist abzusehen: Die Bundesstaaten oder die Bundesregierung werden die Versicherungen bezuschussen oder gleich ganz übernehmen müssen, damit der Wert der Risikoimmobilien nicht gleich komplett verfällt.
In Florida übernimmt die Citizens Property Insurance Corporation (CPIC) bereits für eine Mehrheit der Immobilien diese Rolle. Von 400 000 Policen im Jahr 2019 ist die Zahl auf 1,3 Millionen gesprungen. Wenn Hurrikan Idalia noch mehr Zerstörung anrichtet, wird CPIC zahlungsunfähig und muss über Extragebühren (unter anderem auf Versicherungen von Autos und Ähnlichem) wieder solvent werden.
Es fällt nicht schwer abzusehen, was hier passieren wird: Jedes Jahr werden mehr Einwohner:innen abhängig von CPIC und ähnlichen bezuschussten Versicherungsunternehmen. Diese brauchen immer mehr Einnahmen und werden eine Sondertaxe nach der anderen auferlegen, um die eskalierenden Schäden abfedern zu können. Dann wird der Ruf nach dem Staat immer lauter werden. Wer in den USA ein Haus besitzt und wer mietet, hat stark mit Race, Ethnie und vor allem Alter zu tun. Es handelt sich nicht um Solidarität, sondern um eine Umverteilung von unten nach oben.
Denn am Schluss werden alle Floridianer:innen, wahrscheinlich sogar alle US-Amerikaner:innen, die Häuser der Rentner Floridas bezuschussen. Bundesstaaten, die sonst rabiat Zuschüsse abbauen, gerade für die Ärmsten, die klimaschützende Investitionen verschleppen, werden durch den Klimawandel immer offensichtlicher eine finanzielle Fürsorgerolle übernehmen – nicht den Bürger:innen gegenüber, die vom Klimawandel betroffen sind, sondern Grundstückswerten gegenüber, die eh bald im Ozean versinken.
Immer freitags lesen Sie an dieser Stelle die Kolumne unseres Gastautors Adrian Daub. Der Autor, Kritiker und Literaturwissenschaftler lehrt als Professor für vergleichende Literaturwissenschaften und Germanistik an der Universität Stanford. Er lebt in San Francisco und Berlin.