«Marx zum Vergnügen»: Ein billiges Vergnügen
Er konnte auch scherzen. Zumeist aber war er eher bärbeissig, gar unduldsam. Als Mensch hat der bärtige Alte nicht den besten Ruf. Aber der Rabenvater, zu dem ihn frühere Psychogramme erklärt haben, war er nicht. Karl Marx sorgte sich um seine Familie und vergötterte seine Tochter. Nur war er nicht sehr lebenstüchtig im bürgerlichen Sinn. Was ist schon Geldverdienen, wenn es um Wahrheit und Politik geht? Für den Lebensunterhalt sorgte später ja Freund Friedrich Engels, der als Fabrikantensohn Geld mit LohnarbeiterInnen machte.
«Marx zum Vergnügen» – ein solcher Titel weckt deshalb Neugier. Das Bändchen enthält kurze Textauszüge von Marx, stützt sich neben den Briefen vor allem auf dessen scharfe Polemik, etwa in den Frühschriften «Die heilige Familie» (1845) und «Die deutsche Ideologie» (1846). Unbarmherzig spiesste er darin Klischees und Phrasen, unscharfes Denken und illusionäre Ideen auf. Da wird die Lust an der Sprache fühlbar. Ja, Marx war ein toller Schriftsteller, genau und anschaulich zugleich, der Wortspiele und gelehrte Anspielungen ins Feld führte. Manche Sätze sind Aphorismen wie von heute. «Kein Mensch bekämpft die Freiheit; er bekämpft höchstens die Freiheit der anderen», nimmt er in einem frühen Artikel gegen die Pressezensur die Ideologen für eine abstrakte Freiheit aufs Korn. Wie Ausbeutung im Geldwert scheinbar verschwindet, benennt er im «Kapital»: «Manch Kapital, das heute in den Vereinigten Staaten ohne Geburtsschein auftritt, ist erst gestern in England kapitalisiertes Kinderblut.» Man setze dafür Schweizer Bankkonten und ein Bergbauprojekt auf den Philippinen ein.
Aber Herausgeber Bert Sander muss sich mächtig strecken, um einen vergnüglichen Mehrwert aus dem scharf erhellenden Gesamtwerk zu schlagen. Im politischen Handgemenge wirkt manches doch eher angestrengt als unterhaltend. Insbesondere die mühsam zusammengeklaubten Anekdoten zum Schluss fallen ziemlich flach aus. Immerhin: Es ist doch auch ein Zeichen der Zeit, dass als Nummer 18 854 der traditionsreichen Reihe «Reclams Universal-Bibliothek» ein uneingeschränkt positiv gemeinter Band über Marx erscheint. Zudem ist dieses Vergnügen billig zu haben.
Bert Sander (Hrsg.): Marx zum Vergnügen. Philipp Reclam jun. Stuttgart 2013. 192 Seiten. Fr. 7.90