Kampfjet-Desaster: Übung abbrechen!
Über den F-35 kursiert unter österreichischen Militärs ein Witz. Laut der grünen Nationalrätin Marionna Schlatter, die einst mit der Sicherheitspolitischen Kommission nach Wien reiste, sei er dort unter grossem Gelächter erzählt worden. Der Witz ist kurz und geht so: «Die Schweizer meinen im Ernst, sie bräuchten den F-35. Und sie glauben erst noch, er sei der günstigste Kampfjet von allen.»
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Und der Schaden, der aus der Beschaffung der F-35 von US-Hersteller Lockheed Martin entsteht, wird immer grösser. Schon 2021 musste der Kaufpreis wegen der Teuerung von fünf auf sechs Milliarden Franken korrigiert werden. Damit blieb er noch knapp im Kostenrahmen, den die Stimmberechtigten ein Jahr zuvor mit bloss 50,1 Prozent Zustimmung gutgeheissen hatten. Nun erweist sich auch das Versprechen eines angeblichen Fixpreises als plumpe Tarnung: Die Jets werden gar über sieben Milliarden kosten (die exorbitanten Bewaffnungs- und Betriebskosten nicht eingerechnet). Wie ein Blick in Länder zeigt, die vergleichbare Probleme mit dem F-35 haben, dürfte es dabei kaum bleiben: Gemäss einer neuen Untersuchung in Kanada wird der Kampfjetkauf dort rund fünfzig Prozent teurer als ursprünglich geplant.
Der finanzielle Schaden ist das eine, der demokratiepolitische das andere. Die Schweizer Armee, damals angeführt von Verteidigungsministerin Viola Amherd, wollte nur das Beste vom Teuersten. Und setzte die Mitbestimmung wiederholt ausser Kraft. Nach der Ablehnung des Gripen 2014 liess man die Bevölkerung nicht mehr über einen Flugzeugtyp, sondern nur noch über einen Rahmenkredit abstimmen. Die Typenwahl wurde später so ausgestaltet, dass praktisch nur der F-35 gewinnen konnte. Wegen dessen «Riesenvorsprung» (O-Ton Amherd) schränkte sich der Bundesrat unnötig ein. Wie eine Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission (GPK) kritisierte, fällte das oberste politische Gremium bei der Auswahl einen rein technischen Entscheid. Auf weitergehende Überlegungen – etwa dass der Kauf eines europäischen Jets das Verhältnis zur EU verbessern könnte – verzichtete der Bundesrat.
Erst recht skandalös war der Umgang mit Kritiker:innen, die im Rückblick recht bekommen: Wer den Gottesdienst störte, wurde abgekanzelt, besonders die Allianz gegen den F-35 von SP, Grünen und GSoA. Zur Erinnerung: Amherd wies diese allen Ernstes an, ihre Unterschriftensammlung für eine erneute Abstimmung über den Flugzeugtyp abzubrechen. Und sie bewirkte mit der frühen Unterzeichnung der Verträge, dass die bereits eingereichte Initiative obsolet wurde. Selbst die Warnung der Eidgenössischen Finanzkontrolle, ein Fixpreis für die Schweiz sei nicht festgelegt, wurde von den Verantwortlichen in den Wind geschlagen.
Dass es nun eine Untersuchung des Debakels durch die GPK gibt, kann nur der Anfang der Aufklärung sein. Die Zuständigen, von der Projektleitung bei Armasuisse bis zur ehemaligen Mitte-Bundesrätin, sind namentlich bekannt. Die wichtigste Frage lautet: Was waren ihre Motive? Die Hauptverantwortung trägt aber letztlich die bürgerliche Mehrheit von FDP, SVP und Mitte im Parlament, die den Kauf stets unterstützt hat. Als besonders eifrig fiel FDP-Präsident Thierry Burkart auf, der die «Stopp F-35»-Initiative als Zwängerei bezeichnete.
Tatsächlich steht hinter dem Kauf des Tarnkappenbombers – der für kriegerische Angriffe konzipiert wurde, nicht aber für den Luftpolizeidienst zwischen Boden- und Genfersee – eine nicht geführte sicherheitspolitische Debatte. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine gibt sich die Schweiz weiterhin der Illusion einer autarken, bewaffneten Neutralität hin. Fragen nach internationalen Kooperationen, bei der Verteidigungspolitik, vor allem aber in der Friedenssicherung, sind weiterhin ein Tabu. Der Kauf des F-35 gehört nur schon deshalb abgebrochen, damit diese Diskussion endlich geführt wird.