Grüne Partei: Immer noch in der Trotzphase

Wie sexy ist Scheitern? Wieder klopfen die Grünen im Bundesrat an. Wie sie es schon die letzten vier Jahre und die vier Jahre davor gemacht haben. Ja, wie sie es schon 2000 getan haben, als Cécile Bühlmann erfolglos kandidierte.

Damals, im Jahr 2000, waren die Grünen noch eine Kleinpartei mit fünf Prozent Wähler:innenanteil, doch die SP warb intensiv für die grüne Kandidatur. Heute, nach den Parlamentswahlen vor einer Woche, liegen die Grünen trotz schwachem Ergebnis immerhin noch bei knapp zehn Prozent – und stehen vollkommen alleine da.

Spricht man mit der grünen Parteispitze über den Bundesrat, ist von einem Machtkartell die Rede. Aufsprengen wird die Partei dieses «Kartell» aber auch diesmal nicht, selbst wenn für die Kandidatur offenbar ein klingender Name gefunden worden sein soll. Doch ohne Zusagen der anderen Parteien – vornehmlich der Mitte-Fraktion – ist der Versuch zum Scheitern verurteilt. Wenn es dumm läuft, haben die Grünen bei den Bundesratswahlen am 13. Dezember nicht einmal die SP mehrheitlich auf ihrer Seite.

Arithmetisch, so viel ist schon lange klar, haben die Grünen einen Anspruch auf einen Sitz in der Landesregierung. Genauso klar ist, dass der FDP nur noch ein Sitz zusteht. Und dass die angebliche «Zauberformel», auf die sich die FDP stützt, ein demokratiefeindliches Modell ist. Doch so funktioniert Schweizer Machtpolitik. Wer hier mitspielen will, sollte die Spielregeln schon verstanden haben: Die Tür in den Bundesrat öffnet sich nicht durch beharrliches Anklopfen. Sondern nur gewaltsam – wenn man sie mit vereinigten Kräften eintritt.

Immerhin bringt die Kandidatur die FDP in den kommenden Wochen in Erklärungsnot, ihre undemokratische Übervertretung begründen zu müssen. Vielleicht stärken die Grünen, wenn sie nun wieder am vermeintlichen «Machtkartell» abprallen, auch ihre Oppositionsrolle für die kommenden Jahre.

Doch eigentlich sollte die Partei das fruchtlose Trötzeln nun ablegen. Wer mit seiner Politik keine Wirkung erzeugt, verliert über kurz oder lang die Gefolgschaft. Und für parlamentarische Scheingefechte wird sich diese erst recht nicht begeistern.

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Kommentare

Kommentar von Robert Löpfe

Mo., 30.10.2023 - 18:09

Das Ziel, das Machtkartell zu fällen, ist richtig, die Strategie erschreckend schwach. Ohne Zweckbündnis mit der Mitte und evt. GLP läuft nichts. Bitte bei Hämmerle nachfragen, wie ein Hammer zu halten ist.

Kommentar von Florian Müller

Do., 02.11.2023 - 03:01

Wer weiss denn schon wie die Strategie aussieht? Auch Hämmerle hatte sie nicht 2 Monate vor der Wahl in der woz verkündet... #grünenbashing

Kommentar von Robert Löpfe

Mi., 01.11.2023 - 07:49

Um die Anspielung aufzuschlüsseln: die Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat ist das Modell, wie es gehen würde. Das war ein Bündnis von links bis rüber zum fortschrittlichen Tel der FDP.

Kommentar von Florian Müller

Do., 02.11.2023 - 03:17

Die Oppositionsrolle stärken hat nichts mit Trötzlen zu tun, sondern zeigt die Abgrenzung der Grünen vom anbiedernden Gehabe der Sozialdemokratie, die mit Jositsch und Fehr sämtliche Bürgerlichen zu Lobeshymnen verleiten. Und nur mit einer starken Oppositionsrolle gewinnen die Grünen ihr Profil und das Vertrauen der Klimajugend zurück, die sie in vier Jahren wählen soll.
Gerhard Andrey könnte von mir aus auch statt Beat Jans in den Bundesrat, das wäre ein Mehrwert, und für Cassis käme später Kathrin Bertschy.