Mit Instagram ins Bundeshaus

Anna Rosenwasser hat es geschafft! Einen Platz nach dem anderen kletterte sie gestern Nachmittag auf der SP-Liste hoch, landete am Ende auf Platz acht und krallte sich damit einen der Zürcher Nationalratssitze ihrer Partei. Mit dabei bei dieser Kletterpartie: ihre Instagram-Follower:innen. Am frühen Nachmittag postete Rosenwasser erst die wenigen Good News, die es gestern aus linker Sicht gab, dann um 18 Uhr eine Meldung, dass sie selbst nur noch 0,05 Prozentpunkte hinter ihrer Parteikollegin Michèle Dünki-Bättig liege und diese gar noch überholen könnte. «Ich will Michèle nicht überholen, sie ist supercool», schrieb Rosenwasser dazu. Ihr Wille wurde nicht erhört, und so folgte kurz nach 21 Uhr die Verkündung: «BÜSIS ICH BIN GEWÄHLT».

Die Wahl von Rosenwasser ist eine Überraschung. Die 33-Jährige ist vor allem als queere Aktivistin und Polit-Influencerin bekannt und sass noch nie in einem Parlament. Eine klassische Ochsentour mag anders aussehen, die Arbeit von Rosenwasser darf aber nicht unterschätzt werden: Einerseits vertritt sie schon seit Jahren die Anliegen von queeren Menschen und hat viele Stimmen ihrem Aktivismus zu verdanken. Zudem hat sie es geschafft, sich auf Instagram eine Reichweite von über 35'000 Follower:innen aufzubauen und hat schon vor diesem Wochenende öfters mit Wahlanleitungen und -empfehlungen linken Anliegen zu Stimmen verholfen. 

Rosenwasser zeigt, wie politische Social-Media-Arbeit heute aussehen kann. Statt drei wackligen Selfies im Wahljahr postet Rosenwasser regelmässig Inhalte und nutzt ihre Social-Media-Präsenz als interaktiven Hub: Sie interveniert bei laufenden Debatten, multipliziert die Anliegen ihrer Community und steht im aktiven Austausch mit potenziellen Wähler:innen. Mit dieser Strategie erreicht Rosenwasser junge Menschen genau dort, wo sie sich informieren. In einer Studie der Zürcher Agentur Xeit gaben 38 Prozent der Befragten aus der Generation Z an, am meisten Social-Media-Zeit auf Instagram zu verbringen. Die bei Politiker:innen beliebte Plattform X, ehemals Twitter, kam in der Studie auf null Prozent.

Ganz generell kommen linke Inhalte auf Instagram offenbar ziemlich gut an. Die SP Schweiz hat mit knapp 40'000 Follower:innen fast doppelt so viele wie die SVP, und auch Anna Rosenwassers Account folgen deutlich mehr Menschen als der wählerstärksten Partei.

Es gab wenig Erfreuliches am gestrigen Wahlsonntag, aber immerhin: Eine junge linke Aktivistin hat den Sprung in den Nationalrat geschafft! Nicht nur, aber auch mit der Hilfe von Social Media.