Kommentar zur Überbrückungsrente: Blinder Eifer
Ob bei der Überbrückungsrente oder den Pensionskassen: Die FDP torpediert jede Lösung. Jetzt sind alle Augen auf die Mitte gerichtet.
Ausgesteuerte Arbeitslose, die älter als sechzig sind, sollen eine Überbrückungsrente erhalten. So müssten sie in den wenigen Jahre bis zur Pensionierung keine Sozialhilfe beantragen. Je länger das Parlament über den Vorschlag des Bundesrats diskutiert, desto stärker wird allerdings der Eindruck, dass es den Bürgerlichen bloss um die Sicherung ihrer eigenen Ideologie geht: Statt die schwierige Realität älterer Arbeitsloser endlich anzuerkennen, torpedieren sie den Vorschlag.
Es begann schon im letzten Herbst im Ständerat. Dieser kürzte die jährliche Unterstützung der Betroffenen von maximal 58 000 Franken auf unter 40 000. Also auf monatlich 3500 Franken. Weiter wurde beschlossen, dass sich die Betroffenen frühpensionieren lassen müssten. Nun kommt das Geschäft in den Nationalrat, wo die Wirtschaftskommission einen Mitbericht verfasst hat: Die Überbrückungsrente soll erst ab 62 Jahren ausbezahlt werden. Das hätte zur grotesken Folge, dass Frauen von der Unterstützung ausgeschlossen würden: Sie können sich bekanntlich mit 62 frühpensionieren lassen.
Ins gleiche Bild passen die Entscheide der FDP-Fraktion zur Sanierung der Pensionskassen, wie sie die Sozialpartner vorschlagen. Die Freisinnigen sind dagegen, dass in der zweiten Säule die Firmen und die Beschäftigten künftig 0,5 Lohnprozente mehr an die Finanzierung bezahlen. Die Unternehmensverbände und die Gewerkschaften wollen so verhindern, dass die Renten sinken, wobei insbesondere die tiefen Einkommen und die Teilzeitbeschäftigten profitieren würden. Diese sind bei den Pensionskassen schlechter gestellt. Ein solches Umlageverfahren in der zweiten Säule sei systemfremd, heisst es nun bei der FDP. Systemfremd ist für die FDP also, wenn die Reichen mehr in die Pensionskassen bezahlen müssten, als sie erhalten.
Mit dem Festhalten an ihrer reinen Lehre richtet die FDP in der Sozial- wie auch in der Europapolitik einen beträchtlichen Schaden an. Die Überbrückungsrente ist nicht zuletzt als Antwort auf die Kündigungsinitiative der SVP gedacht. Damit knüpft der Bundesrat an die bewährte Formel an, dass die Marktöffnung gegenüber der EU mit sozialen Sicherheiten einhergehen muss. Diese Formel wurde bei der Abstimmung über die angebliche Masseneinwanderung 2014 vernachlässigt, insbesondere die älteren Beschäftigten stimmten damals für die Initiative. Kein Wunder, schaut die SVP der jetzigen Diskussion mit klammheimlicher Freude zu.
Der Entscheid bei den Pensionskassen wiederum ist ein Angriff auf das Prinzip der Sozialpartnerschaft. Beim Kompromiss mit dem Arbeitgeberverband haben auch die Gewerkschaften ihren Preis bezahlt. Sie willigten in die Kürzung des Mindestumwandlungssatzes ein, der die Höhe der Pensionskassenrenten festlegt. Dass die Versicherten nicht freiwillig einer Kürzung ihrer eigenen Rentenansprüche zustimmen, ist seit 2010 bekannt. Damals wurde eine Senkung des Umwandlungssatzes in einer Abstimmung wuchtig verworfen. Streichen die Bürgerlichen nun die Umlagekomponente aus der Vorlage, können sie die Beratung geradeso gut beenden. Ein mehrheitstauglicher Kompromiss wäre bei der Altersvorsorge aufgekündigt.
Fast scheint es, als ob das neue Parlament, obwohl es über einige grüne Stimmen mehr verfügt, in sozialpolitischer Hinsicht dort weitermacht, wo die frühere SVP-FDP-Mehrheit aufgehört hat. Eine entscheidende Rolle kommt deshalb in der nächsten Session der Mitte zu. Die Fraktion aus CVP, BDP und EVP kann ihre Selbstfindung am konkreten Objekt der Überbrückungsrente erproben: Wie christlich-sozial will sie sich in Zukunft geben? Entscheidend werden auch die Grünliberalen sein. Mit ihrer Unterstützung des Bürgerblocks bei den Bundesratswahlen haben sie viele ihrer WählerInnen enttäuscht. Die Überbrückungsrente wird zum letzten Test, ob die GLP eine neue Kraft ist oder doch nur eine FDP in Grün. Gerade weil sich die Grünliberalen neuerdings als Europapartei geben, müsste ihnen die Überbrückungsrente eigentlich ein Anliegen sein.