Sicherheitspolitik: Der F-35 kann auch ohne Kill Switch am Start gehindert werden

Nr. 15 –

Mehrere EU-Länder hinterfragen mittlerweile die Beschaffung von F-35-Kampfjets – denn ohne die Zustimmung der USA könnten diese kaum eingesetzt werden. Die Debatte hat auch die Schweiz erreicht.

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«Als einer der Entscheidungsträger hinter Dänemarks Kauf von F-35-Kampfjets: Ich bedauere das.» Diesen Post setzte Rasmus Jarlov, der Vorsitzende des dänischen Verteidigungsausschusses, Mitte März auf der Plattform X ab und löste damit eine kontroverse Diskussion aus: Können die US-amerikanischen F-35-Kampfjets unabhängig von den USA eingesetzt werden? Für Jarlov ist der Fall klar: nein. «Ich kann mir leicht eine Situation vorstellen, in der die USA Grönland von Dänemark fordern und drohen, unsere Waffen zu deaktivieren und uns von Russland angreifen zu lassen, wenn wir uns weigern», ergänzte Jarlov, der als Abgeordneter der Konservativen im Parlament sitzt, seinen Post.

Der hochrangige dänische Sicherheitspolitiker ist mit seinen Bedenken nicht allein. Zuvor hatten bereits die Verteidigungsminister Kanadas und Portugals öffentlich erklärt, die jeweils geplante Beschaffung von F-35 nochmals zu prüfen.

Tatsächlich verkörpert kein anderes Rüstungsgeschäft die grosse militärische Abhängigkeit Europas von den USA und die globale Dominanz der US-Waffenindustrie beispielhafter als der Tarnkappenbomber F-35: Nicht weniger als zwölf europäische Staaten haben insgesamt über 500 Stück des Jets bestellt – die Schweiz ist einer davon.

FDP fürchtet schutzlose Schweiz

Die Debatte ist entsprechend auch hierzulande entbrannt. So wurde am Wochenende publik, dass der frühere Nationalbankchef Philipp Hildebrand in einer Klausur mit dem Bundesrat die Anschaffung des F-35 infrage stellte; stattdessen solle die Schweiz einen Beitrag zur europäischen Aufrüstung leisten. Bereits Ende März hat das Onlineportal «Watson» eine Umfrage publiziert, laut der die Ablehnung gegenüber dem Kauf der 36 US-Kampfjets für über sechs Milliarden Franken sehr gross ist: Von den knapp 14 000 Personen, die sich beteiligten, sprachen sich rund 66 Prozent klar gegen den Kauf aus und 15 Prozent eher dagegen. Zur Erinnerung: Die Abstimmung im September 2020 über den Kredit für den Kauf neuer Kampfjets – noch ohne Festlegung auf einen Typus – hatte mit einer Zustimmung von gerade einmal 50,1 Prozent geendet.

Wie aber sieht es auf der politischen Ebene aus? Die rechtsbürgerlichen Parteien SVP und FDP sind wie die GLP gegen eine Auflösung des im September 2022 unterschriebenen F-35-Kaufvertrags zwischen der Beschaffungsbehörde Armasuisse und der US-Regierung. Gerne hätte die WOZ auch die Position der Mitte berücksichtigt; die entsprechenden Anfragen blieben aber bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Ein Rücktritt vom Vertrag wäre rechtlich möglich, wie der Bundesrat während der letzten Session mitteilte: «Die Schweiz kann den Vertrag bis zur Lieferung der Güter jederzeit kündigen.» Eine Konventionalstrafe sei für diesen Fall nicht vorgesehen. Die Schweiz wäre aber verpflichtet, alle Kosten zu tragen, die sich aus der Kündigung ergeben. Bis dato habe die Schweiz Zahlungen in der Höhe von rund 700 Millionen US-Dollar geleistet, die nicht zurückerstattet würden, so der Bundesrat.

Die Rechte rückt nicht ab

Doch zurück zu jenen Parteien, die am F-35 festhalten wollen. «Der Volksentscheid ist zu respektieren und umzusetzen», sagt etwa SVP-Nationalrat Michael Götte. Der F-35 sei das beste Kampfflugzeug und auch kostenmässig allen angeblichen Alternativen überlegen. «Die ganze westliche Welt hat sich technologisch und sicherheitsmässig von Amerika abhängig gemacht», so Götte. Das zu ändern, brauche Jahrzehnte. Ähnlich tönt es bei der FDP: «Die F/A-18-Kampfjetflotte nähert sich dem Ende ihrer Einsatzfähigkeit», teilt die Partei mit. «Ohne F-35, deren Beschaffung schon weit fortgeschritten ist», stünde die Schweiz in wenigen Jahren schutzlos da. Und für die GLP «ist es selbstverständlich, dass wir die demokratischen Entscheide für den Kampfjet-Kauf genauso respektieren wie den Kaufvertrag mit den USA».

Ganz klar gegen den milliardenschweren Kauf der Jets sprechen sich die SP und die Grünen aus. Letztere haben gemeinsam mit der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) bereits eine entsprechende Petition aufgesetzt, und Nationalrat Balthasar Glättli, die prägende sicherheitspolitische Figur der Partei, hat während der letzten Session eine Motion eingereicht: Sie fordert den raschen Abbruch bezüglich F-35 sowie einen neuen Beschaffungsprozess zur Luftraumsicherung und -verteidigung, die möglichst unabhängig von den USA sein soll.

Die SP betont, dass sie – wie die Grünen auch – die F-35-Beschaffung stets abgelehnt habe. «Aufgrund des neofaschistischen Regimes von Donald Trump hat sich die Dringlichkeit des Beschaffungsstopps noch verschärft», sagt Kopräsidentin Mattea Meyer. Entsprechend habe die SP erst kürzlich den neuen Verteidigungsminister Martin Pfister (Mitte) öffentlich zum sofortigen Kaufstopp aufgefordert. «Die USA sind kein verlässlicher Partner. Die Schweiz muss auf allen Ebenen mehr mit der EU zusammenarbeiten», so Meyer.

Die USA haben die Kontrolle

Parallel zu den politischen Debatten gingen in den vergangenen Wochen zahlreiche Expert:innen jener Frage nach, die der dänische Politiker Rasmus Jarlov in seinem Post aufwarf: Können die F-35-Kampfjets unabhängig von den USA eingesetzt werden? Der prägende Begriff dieser Debatte lautet «Kill Switch»: Damit ist ein Mechanismus gemeint, der es den USA erlauben würde, jeden einzelnen F-35 quasi per Knopfdruck einsatzunfähig zu machen. Die Spekulationen gingen so weit, dass sich das Pentagon veranlasst sah, auf X mitzuteilen: «There is no kill switch.»

Ein solcher sei für die USA auch gar nicht nötig, um die Fähigkeit eines fremden Landes, seine F-35 einzusetzen, schnell zu beeinträchtigen oder sogar ganz zu unterbinden, argumentierten etwa das Fachmagazin «The War Zone» oder der viel beachtete Techblog ­«Millennium 7». Die USA kontrollierten nämlich die Wartungs- und Logistikketten ebenso wie den Zugang zu den Computernetzwerken und könnten jede F-35-Flotte rasch unbrauchbar machen. Die Befürchtungen bezüglich einer hohen US-Abhängigkeit gerade auch im operativen Bereich sind also vollkommen berechtigt.

Und dann gibts noch besorgniserregende Nachrichten aus den USA: Ein offizieller Bericht des Pentagon-Testdirektors vom Januar 2025 zeigt, in welch schlechtem Zustand sich das höchst komplexe F-35-Programm befindet. «Es hat keine Verbesserungen bei der Einhaltung der Zeit- und Leistungsvorgaben für die Entwicklung und Erprobung von Software zur Behebung von Mängeln und Hinzufügung neuer Fähigkeiten gezeigt», steht dort schwarz auf weiss. Ausdruck dieser gravierenden Probleme ist, dass noch immer kein unterzeichneter Vertrag zwischen der US-Regierung und dem Hersteller Lockheed Martin für die Produktionsserien 18 und 19 existiert. Das wiederum ist für die Schweiz relevant: Die 36 bestellten F-35-Kampfjets sind für die Chargen 19 bis 22 vorgesehen, und die ersten sollen 2027 geliefert werden.