Durch den Monat mit Asa Hendry (Teil 5): Möchten Sie wieder im Val Lumnezia wohnen?

Nr. 44 –

Mit dreizehn schrieb Asa Hendry einen rätoromanischen Fantasyroman, mit neunzehn schon das zweite Buch. Jetzt arbeitet Hendry an einem Text über die eigene Mehrsprachigkeit und fragt sich: Warum wirkt das Wort für Liebe auf Romanisch so fremd?

Foto von Asa Hendry im Zürcher Parkhaus Gessnerallee
Asa Hendry im Zürcher Parkhaus Gessnerallee: «Ich möchte nächsten Sommer ins Val Lumnezia ziehen – eine Basis, wo meine Hündin Hazla und ich zur Ruhe kommen.»

WOZ: Asa Hendry, Sie haben beschrieben, wie Ihnen alte Leute aus dem Leben erzählen und das in Ihre Texte einfliesst. Besteht da nicht die Gefahr, dass jemand erkennbar ist und sich vielleicht exponiert fühlt?

Asa Hendry: Diese Gefahr gibt es schon. Ich versuche, mit diesen Geschichten behutsam und sorgfältig umzugehen. Aber ob andere Leute diese Texte vielleicht mit einem voyeuristischen Blick lesen, kann ich nicht kontrollieren.

Erzählen Ihnen manche Menschen bewusst Dinge, gerade weil sie wissen, dass Sie Autor:in sind?

Das kommt vor. Viele erzählen gern, wenn jemand mal eine Tür öffnet. Weil ihnen manche Fragen gar nie gestellt worden sind: «Wie ging es dir denn als Kind auf der Alp? Hattest du kein Heimweh? War es schlimm, vom Lehrer geschlagen zu werden?»

Sie haben sehr früh einen Roman auf Romanisch geschrieben.

Ja, mit dreizehn … (lacht). Es ist eine typische Fantasygeschichte mit Elfen und Zentauren … Und sehr langen Landschaftsbeschreibungen – Berge, Sümpfe, alles Mögliche. Es hat als Schulprojekt gestartet, aber ist dann etwas ausgeartet. Mir ist es ein bisschen peinlich, dass dieses Buch immer noch erhältlich ist. Aber mein Romanischlehrer von der Kanti sagt, die romanische Jugend lese und schätze das Buch. Das freut mich mega.

Und dann schrieben Sie mit neunzehn schon das zweite Buch?

Ja. Heute sehe ich es weniger als Literatur, eher als ein Verarbeiten, ein Rauslassen. Das Romanisch bietet da auch einen gewissen Schutzraum; ich möchte nicht, dass es ins Deutsche übersetzt wird. Es handelt von meiner nächsten Obsession: mit Andreas Walser.

Wer war das?

Ein queerer Churer Maler und Autor, der in den zwanziger Jahren nach Paris ging und dort ein exzessives Leben führte. Er hing auch mit Jean Cocteau ab, war also voll in der Szene. Und starb schon mit 21 an Drogen. In seinen Texten geht es stark um seine Todeswünsche. Als queerer Teenie mit einer, sagen wir mal, fragilen Mental Health war ich mega fasziniert davon.

Die Alternativkultur in Graubünden entwickelt sich erfreulich, gerade in der Region, aus der Sie kommen: etwa mit dem Buatsch-Festival oder der kulturellen Zwischennutzung «Bündner Rigi». Sehen Sie sich als Teil dieser Szene?

Auf jeden Fall. Ich habe ein grosses Interesse an einer solchen lokalen Auseinandersetzung.

Leute aus dem Unterland landen da plötzlich an einem Festival in einem Bergtal.

Das sehe ich auch kritisch. Ich glaube, manche idealisieren und romantisieren das Leben in den Bergen. Ich weiss nicht, wie nachhaltig das ist. Aber dass etwas läuft, freut mich.

Können Sie sich vorstellen, wieder ganz im Val Lumnezia zu wohnen?

Ja, ich möchte nächsten Sommer hinaufziehen. Aufgrund meines Schaffens bin ich oft für Projekte drei Wochen hier, vier Wochen dort, darum brauche ich eine Basis. Einen Ort, wo ich nicht überlegen muss, wo ich einkaufen gehe – ich kann einfach in die Landi. Meiner Hündin Hazla wird es auch guttun, denke ich: einen Ort zu haben, wo wir zur Ruhe kommen. Alles andere ist nicht nachhaltig für meinen Energiehaushalt.

Sie haben schon viel auf Romanisch veröffentlicht. Planen Sie auch etwas auf Deutsch?

Das ist ein Projekt der nächsten fünf Jahre: ein mehrsprachiger Text, der auch eine Metaauseinandersetzung mit der Beziehung zu meinen Sprachen, zur Landschaft und zur Landwirtschaft ist.

Wird das ein Roman?

Eher eine Mischform. Mich interessieren auch Essays und wissenschaftliche Konzepte, darum bin ich viel am Recherchieren. Ich arbeite die ganze Zeit schon an diesen Themen, bis jetzt sind es einfach «Bits». Ich habe gerade darüber geschrieben, dass ich als Kind das Wort für Liebe auf Romanisch nicht kannte. Sondern nur auf Deutsch und Englisch. Für alles rund um Intimität oder Sexualität, aber auch nur schon Geborgenheit fehlen mir die romanischen Wörter. Jene, die es gibt, sind mir fremd. Um solche Gefühle zu beschreiben, muss ich aufs Englische zurückgreifen, denn auf Schweizerdeutsch ist es mir auch unangenehm. Ich möchte untersuchen, wieso das so ist. Ob das nur mich betrifft oder vielleicht auch in einer romanischen Kultur verankert ist, nicht über Intimität und Sexualität zu reden.

Und Sie schreiben auch Theaterstücke?

Ja, aktuell eins für das Festival Travers, das romanisches Theater fördert. Der Text wird in einem Jahr aufgeführt. Das beschäftigt mich auch: wie rätoromanisches Theater aussehen kann. In der Deutschschweizer Theaterlandschaft bestehen ja sehr klare Sprachhierarchien: Im Volkstheater spricht man Schweizerdeutsch, im Stadttheater Bühnendeutsch. Wie sieht es da mit Romanisch aus? Wo hat das seinen Platz?

Asa Hendry (25) studiert Angewandte Theaterwissenschaft. «Car Guys Gay Trucks and Oil», ein Stück von und mit Asa Hendry und Rosa Rotach, wird am 8. November in der Postremise Chur aufgeführt.