Durch den Monat mit Asa Hendry (Teil 3): Was bedeutet Ihnen die Arbeit mit Tieren?

Nr. 42 –

Schon als Kind ging Asa Hendry mit den Eltern auf die Alp. Auch heute hütet Hendry im Sommer Kühe, Kälber und Rinder. Hündin Hazla ist dabei eine grosse Hilfe.

Asa Hendry mit Hündin Hazla
«Was die Arbeit mit Tieren prägt: dass deine eigenen Bedürfnisse zuletzt kommen»: Asa Hendry mit Hündin Hazla.

WOZ: Asa Hendry, haben Sie ein Lieblingstier?

Asa Hendry: Ja, ich habe einen Hund. Eine Hündin, Hazla. Sie muss wohl mein Lieblingstier sein. Mit ihr verbringe ich sehr viel Zeit. Sie ist ein Neuseeländischer Hirtenhund, vierjährig, wir haben diesen Sommer auf der Alp das erste Mal zusammengearbeitet. Das ist megacool. Mit ihr schafft man einen Weidewechsel in einem Tag, für den man sonst drei Tage brauchen würde.

Was macht sie genau?

Wenn die Herde zum Beispiel rechts abbiegen muss, kann ich sie links nach vorn schicken, dann bellt sie dort, und die Herde läuft. Wir haben 200 Tiere auf der Alp – Mutterkühe, Kälber und Rinder. Ohne Hund lässt sich eine so grosse Herde gar nicht bewegen.

Hatte die Hündin schon eine Ausbildung?

Sie war von klein auf z’Alp, darum ist sie an Kühe gewöhnt. Aber wir trainieren viel; ich bin jeden Tag zwei bis drei Stunden mit ihr unterwegs. Wir üben gerade, dass ich sie auf lange Distanz zu den Kühen schicken kann. Auf Kommando bellen kann sie, aber sie muss noch lernen, weit von mir wegzurennen.

Dann kann sie die Herde holen, ohne dass Sie mitgehen müssen?

Genau. Oder raustreiben – ohne sie musste ich immer bis abends um neun eine Stunde lang die Tiere aus einem gefährlichen Hang jagen.

Gehen Sie jeden Sommer auf dieselbe Alp?

Ja, seit drei Jahren. Aber ich war schon als Kind auf der Alp im Val Lumnezia, meine Eltern gehen seit vierzehn Jahren auf dieselbe. Dazwischen war ich noch zwei Sommer im Val Curciusa auf einer Alp mit 2000 Schafen. Meine Hündin ist ein Welpe von jener Alp.

Was ist die grösste Herausforderung?

(Überlegt.) Das Wetter … dass man so ausgeliefert ist. Wenn es schneit, wird es auf gewissen Weiden richtig gefährlich. Dann muss man immer bangen – und hoffen, dass nicht zu viel Schnee fällt. Und wenn er kommt, muss man zusätzliche Zäune aufstellen. Letzten Sommer gab es diesen Dauerregen. Da haben wir zu zweit zwölf Stunden lang Tiere rausgetrieben. Der Bach schwoll an, und wir mussten die ganze Herde hinüberbringen. Ich stand bis zum Bauch im Wasser, den Hund mussten wir rüberwerfen … und dann kannst du halt nicht sagen: «Wir machen es erst morgen», denn am nächsten Tag hats Schnee. Die Rauheit fuckt mich schon manchmal ab. Ich weiss, dass an den steilen Hängen immer etwas passieren kann. Und versuche, trotzdem Vertrauen in die Tiere zu haben. Wenn etwas passiert, nagt es lange an mir. Dann fühle ich mich nicht mehr so sicher in der Landschaft.

In der Stadt gibt es ein sehr romantisiertes Bild von der Arbeit auf der Alp.

Manchmal höre ich: «Das würde ich megagern auch mal machen!» Und ich denke so: Bist du sicher? (Lacht.) Manchmal habe ich auch eine Hassliebe. Wenn ich oben bin, vermisse ich, einfach einen Kaffee trinken gehen und etwas chillen zu können. Wenn ich hier unten bin, vermisse ich die Weite und das Raue. Ganz zufrieden bin ich meistens nur in der kurzen Zeit, wenn ich auf dem Maiensäss ins Auto steigen und nach Vrin fahren und dort das erste Glace nach fünf Wochen kaufen kann. Oder wenn ich mit dem Heli mitfliegen darf … Die Momente dazwischen sind eigentlich die besten.

Was bedeutet Ihnen die Arbeit mit den Tieren?

Was die Arbeit mit Tieren prägt: dass deine eigenen Bedürfnisse zuletzt kommen. Ich muss auch bei schlechtem Wetter raus, auch noch weiterarbeiten, wenn ich nicht mehr mag … Das gefällt mir auch. In der Stadt kann ich immer selbst entscheiden, was ich mache. Es gibt selten Dinge, die so wichtig sind, dass ich sie nicht notfalls absagen darf. Bei der Arbeit mit Tieren sind sie am wichtigsten, alles andere musst du rundherum zirkeln. Das habe ich gern: dass die Aufgaben megaklar sind. Und dass es einen direkten Einfluss hat, ob du deine Arbeit machst oder nicht.

Man sieht das Resultat.

Genau. Die Konsequenzen sind sehr real. Sehr direkt.

Würden Sie gern einen Hof übernehmen?

Nein. Du bist so eingebunden und hast so wenig Freizeit. Und es ist für den Körper schon auch ein Verschleiss. Aber ich bewundere die Leute, die sich für diesen Lebensentwurf entscheiden.

Was machen Ihre Eltern im Winter?

Sie arbeiten in der Pflege, im Regionalspital Surselva.

Beschäftigt es Sie, dass die Tiere irgendwann geschlachtet werden?

Ja, schon. Wir sind drei Monate da oben, ich versuche, meinen Job gut zu machen, der Rest liegt ausserhalb meiner Kontrolle. Natürlich bin ich damit Teil einer Art des Wirtschaftens, die ich nicht nur gut finde. Aber im Berggebiet kann man ja nicht im grossen Stil Ackerbau betreiben. Es gibt viele Flächen, die sich nur beweiden lassen. Ich finde es sinnvoll, sie so zu bewirtschaften. Darum esse ich auch Fleisch, wenn ich im Tal bin.

Sonst nicht?

Nein, in der Stadt nicht.

Asa Hendry (25) ist Autor:in und Alphirt:in.