Durch den Monat mit Asa Hendry (1): Was haben Sie mit diesen misogynen Typen zu tun?
Für ein Theaterstück liess sich Autor:in Asa Hendry von Autos und toxischer Männlichkeit inspirieren. Für die eigene Identifikation mit Männlichkeit hat sich Hendry lange geschämt, findet heute jedoch den Alltag als männlich gelesene Person spannend.
WOZ: Asa Hendry, Sie treten im November mit dem Stück «Car Guys Gay Trucks and Oil», das sie zusammen mit Rosa Rotach entwickelt haben, in Chur auf. Angekündigt ist eine Performance über Autos, Erotik und Männlichkeit. Wie hängt das zusammen?
Asa Hendry: Das hat damit angefangen, dass Rosa und ich mit ferngesteuerten Autos gespielt haben. Wir haben uns gefragt, was uns eigentlich an Maschinen interessiert. Dann haben wir gemerkt, dass wir Autos ziemlich hot finden. Es gibt ja auch ein feministisch-popkulturelles Ding mit Autos – Billie Eilish, die auf dem Traktor fährt … oder Autokorsos, die in einem feministischen Zusammenhang veranstaltet werden. Aber vor allem haben wir uns von toxischer Männlichkeit inspirieren lassen.
Inwiefern?
Wir haben uns Youtube-Kanäle für Männer angeschaut, die mit simplen Botschaften operieren: «Hey, schau, du musst einfach arbeiten gehen, du musst dein Bett machen, dein Leben in den Griff kriegen.» Das fängt harmlos an, rutscht aber schnell in einen rechten Diskurs ab. Dann haben wir unsere eigenen Biografien mit Biografien von Incels vermischt …
Also Heteromännern, die keine Partnerin finden und deshalb misogyn, zum Teil auch gewalttätig werden. Was haben Sie denn mit denen zu tun?
Wir haben überlegt: Wo hätte es denn in unseren Biografien Möglichkeiten gegeben, abzurutschen? Beim Reden über Incels geschieht so etwas wie eine Dehumanisierung: Man kann sich nicht vorstellen, wie Leute so abdriften können. Da möchte ich genauer hinschauen: Oft sind das ja einfach junge Männer, die viele Fragen haben, die verletzlich sind in ihrer Identitätsbildung. Und dann werden sie vom rechten Diskurs gekapert. Oder es wird Geld gemacht mit Männercamps, wo sie für 10 000 Stutz an einem Feuer sitzen und rumbrüllen können. Da wird aus einer Not, aus einer Verletzlichkeit Profit geschlagen, und es gibt nicht wirklich einen Diskurs darüber.
Viele in meinem Umfeld hatten Momente, wo wir nicht wussten, wohin mit uns, und Anschluss an eine Community gesucht haben. Und sie zum Glück auch gefunden haben! Das ist ja ein Bedürfnis, das nicht nur Flinta-Personen haben. Und wenn es dann keine Alternativen gibt, landen manche Männer halt auf solchen Kanälen.
Sie meinen, es bräuchte Alternativen für cis Männer? Welcher Art?
Ich weiss es auch nicht. Ich glaube, die müssen sich vor allem gegenseitig schauen. Aber patriarchales Verhalten ist ja nicht festgemacht an Männern. Das können auch wir Queers an den Tag legen. Und machen wir das? Ja, schon.
Zum Beispiel?
Toxisches Verhalten in Beziehungen, Leute ghosten, nicht über Gefühle reden wollen – oder Leute, die über Gefühle reden, mühsam finden. Wir sollten nicht so tun, als wären wir nicht manchmal selber in einer Kompliz:innenschaft mit dem Patriarchat. Ich identifiziere mich ja auch mit einer Form von Männlichkeit. Und ich schämte mich auch lange dafür.
Sie schämten sich?
Ja, dass ich mit einer gewissen Männlichkeit etwas anfangen kann. Die ich aber nicht weiter definieren kann, weil wir gar keine Vorbilder für nice Männlichkeiten haben. Immerhin bin ich jetzt an einem Punkt, an dem ich mich nicht mehr selbst zensiere in meinem männlichen Ausdruck. Und auch akzeptiert habe, dass es darin Widersprüche gibt.
Der männliche Ausdruck ist ja erst einmal einfach ein Ausdruck des Körpers.
Ja, aber er macht etwas damit, wie man auf Leute wirkt. Ich merke, dass ich zum Beispiel in einem Seminarraum anders wahrgenommen werde, weil sich mit dem Testosteron meine Stimme verändert. Oder dass ich plötzlich einen Fistbump kriege von irgendwelchen Typen, die mich als Mann lesen. Das sind kleine Türen in eine Welt, die ich bisher nicht von innen gesehen habe. Es ist voll spannend.
Ist Ihnen wichtig, ob Sie als Mann oder als Frau oder als Weder-noch wahrgenommen werden?
Ich habe lange damit gekämpft, aber mittlerweile ist es mir ein bisschen egal. Ich kann momentan in beide Richtungen «passen». Ich kann ins Frauen-WC, und niemand sagt etwas. Aber ich kann auch ins Männer-WC, und niemand sagt etwas. Das ist gerade sehr okay.
In den letzten Jahren haben sich in der Schweiz immer mehr nonbinäre Autor:innen zu Wort gemeldet, neben Kim de l’Horizon etwa Laura Leupi, Selma Kay Matter … Gibt es schon so etwas wie eine Szene?
Ich kenne mich in der Deutschschweizer Literaturszene gar nicht so gut aus, mehr in der romanischsprachigen. Und dort bin ich eine Szene für mich (lacht), die einzige genderqueere Person. In meinen deutschen Texten bin ich zurzeit eher deutschlandbezogen, weil ich in Giessen studiere. Aber es ist auf jeden Fall so, dass ich Ausschau halte nach anderen. Und mich freue, von ihnen zu lesen.
Asa Hendry (25) ist im Val Lumnezia in Graubünden aufgewachsen. Hendry studiert Angewandte Theaterwissenschaft in Giessen und schreibt auf Romanisch (Sursilvan) und Deutsch.