Kino-Film «O fim do mundo»: Favelablues aus Lissabon

Nr. 27 –

Im Quartier Reboleira an der Peripherie von Lissabon leben vorwiegend MigrantInnen aus den Kapverden. Windschiefe Häuschen und ein Labyrinth enger Gassen, in denen sich der Abfall türmt und wo die meisten Leute mit Geschäften jeglicher Art ihr prekäres Auskommen suchen: Man wähnt sich hier eher in einer afrikanischen Metropole oder in der Favela einer brasilianischen Megacity als in einer europäischen Hauptstadt.

Der Regisseur und Kameramann Basil da Cunha, Westschweizer mit portugiesischen Wurzeln, lebt seit 2009 selber in Reboleira. Hier realisierte er nach zwei Kurzfilmen schon seinen ersten Langspielfilm, «Até ver a luz», der 2013 mit seinem ausgeprägten Formwillen auch in Cannes für Aufsehen sorgte. Für «O fim do mundo» nun wurde er beim Schweizer Filmpreis für die beste Kamera ausgezeichnet, und wie in seinem Erstling steht auch hier am Anfang ein junger Mann, der nach längerer Zeit im Gefängnis in sein angestammtes Umfeld nach Reboleira zurückkehrt. Rund um die Geschichte des achtzehnjährigen Spira (Michael Spencer) wird dabei der kriminalistische Plot aus dem Milieu der Drogengangs eher angedeutet als ausgearbeitet.

Heute, da man von Bildern etwa aus den Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln oder den Plantagen in Süditalien vielleicht schon etwas abgestumpft sein mag, wirken Zustände wie in Reboleira vergleichsweise idyllisch. Zumal der Reiz von Reboleira findigen Investoren nicht entgangen ist: Die Gentrifizierung hat auch hier schon ihre Spuren hinterlassen. So wird die Geschichte des Heimkehrers Spira vor allem zu einem Abgesang auf ein dem Untergang geweihtes Universum. Und auch wenn dabei dieses «Ende der Welt», von dem der Titel kündet, in seiner Feier einer fragilen Koexistenz von Gewalt und Poesie gelegentlich die Grenze zur Elendspornografie streift: Das gleicht dieser ungewöhnliche Schweizer Film durch seine formale Geschlossenheit und das souveräne Ensemble von LaiendarstellerInnen aus Reboleira wieder aus.

O fim do mundo. Regie: Basil Da Cunha. Schweiz/Portugal 2019