Film: Pflaumenkuchen auf der Barke

Nr. 41 –

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Filmstill aus «Miroirs No. 3»: zwei Frauen auf einem Fahrrad
«Miroirs No. 3». Regie und Drehbuch: Christian Petzold. Deutschland 2025. Jetzt im Kino.

Vom Zaun blättert die Farbe ab, der Wasserhahn tropft, das Klavier ist verstimmt, und im Geschirrspüler hat sich das Flügelrad verhakt. «Hier ist einiges kaputt», gesteht Betty (Barbara Auer) und meint damit nicht nur den Hausrat. Vor ihr sitzt Laura (Paula Beer), eine junge Klavierstudentin aus Berlin. Sie ist nach einem schweren Autounfall bei ihr gestrandet, wie durch ein Wunder fast unverletzt, dafür mit löchrigem Wollpullover und Rissen im Lebensmut. Die Frauen kennen sich nicht, aber etwas zieht sie magisch zueinander hin – und zum kaputten Hausrat, der in Bettys behaglichem, altem Häuschen beinahe etwas Tröstliches hat.

Es wird viel repariert in «Miroirs No. 3», dem neuen Film von Christian Petzold («Roter Himmel»). Erst recht, als die zwei «Handwerker» auftauchen: Bettys Mann und ihr Sohn, gespielt von Matthias Brandt und Enno Trebs in ausdrucksstarker Wortkargheit. Beide wohnen nicht mehr bei Betty. Das Verhältnis ist angespannt, und Bettys junge Besucherin ist ihnen unheimlich.

Der Film ist nach dem dritten Stück des Klavierzyklus «Miroirs» von Maurice Ravel benannt, «Une barque sur l’océan» («Eine Barke auf dem Ozean»). Schiffbrüchige treiben mit Wrackteilen ihrer Boote aufeinander zu, bis nach mehreren Kollisionen ein lebensrettendes Floss entsteht: Dieses Bild habe er im Kopf gehabt, als er am Drehbuch sass, erklärt Petzold im Presseheft. Das Ergebnis kommt allerdings auch ganz gut ohne Metaphern aus. In den hochatmosphärischen Bildern, die immer wieder radikal die Perspektive ändern (Kamera: Hans Fromm), strahlt selbst die scheinbar nebensächlichste Thermotasse abwechselnd Geborgenheit und Trauer aus. Statt einer grösseren Handlung gibt es Pflaumenkuchen und viel zu tun. Es wird gestrichen, geschraubt und geerntet – jeder Handgriff ein ansteckender Akt der Selbstfürsorge.

Ein bisschen Nostalgie und Harmoniebedürftigkeit muss man also mitbringen, um in Petzolds eigenwilligem Märchen eine rettende Barke zu sehen. Und ja: Humor hilft auch.