Film: Emanzipation mit Toast Hawaii

Nr. 47 –

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Filmstill aus «Hallo Betty»: eine Frau mit einer Schüssel und Schwingbesen in der Hand, im Vordergrund ein Mann
«Hallo Betty». Regie: Pierre Monnard. Schweiz 2025. Jetzt im Kino.

Der Gedanke kommt ihr beim Kneten des Knöpfliteigs: Die Schweizer Hausfrau braucht ein Vorbild. Jemanden wie sie selbst, bodenständig, humorvoll, nur besser in der Küche. Emmi Creola (Sarah Spale) arbeitet als Werbetexterin für Produkte einer Speiseölfirma und träumt von anspruchsvolleren Aufgaben im Job und mehr Entlastung zu Hause. Ihr Pech ist nur: Es sind die 1950er Jahre, keine gute Zeit also für weibliche Haushaltsmuffel mit eigenen Ideen und beruflichen Ambitionen. Doch dann erfindet sie Betty (Nachname Bossi), die inzwischen legendäre fiktive Hausfrau und Köchin, die sich mit einer Zeitschrift voller Ratschläge und «gelingsicherer» Rezepte «mit Pfiff» an Kundinnen wendet und sogar Emmis Mann beibringt, einen familiengerechten Znacht auf den Tisch zu zaubern.

In der «wahren Geschichte» hinter Pierre Monnards («Platzspitzbaby») Biopic «Hallo Betty» stecken interessante Widersprüche mit bleibender Aktualität: Eine Frau entgeht den Rollenerwartungen ihrer Zeit ausgerechnet dank einer patenten Werbehausfrau nach amerikanischem Vorbild; eine Nation mit chronischer Überfremdungsangst ohne Frauenstimmrecht halluziniert bei Cannelloni und Toast Hawaii Weltoffenheit und Gleichberechtigung; und grosse Unternehmen sahnen dabei ab.

Im Film sucht man diese Ironie vergeblich. Die Themen Doppelbelastung und kulturelle Aneignung erscheinen wie von heute aufgepfropft und zugleich in der Biederkeit der erzählten Zeit gefangen, wenn das friedliche Miteinander auf eine Frage des richtigen Kochbuchs und gegenseitige Rücksichtnahme reduziert wird. Selbst der Humor schmeckt nach Riz Casimir: Ihr Mann könne zwar eine Garderobe montieren, nicht aber seine Jacke an den Haken hängen, scherzt Emmi bei ihrem ersten Auftritt als Betty, auch in Richtung Kinopublikum. Wie in schlechten Momenten von «Mad Men», der Serie über New Yorker Werbetexter:innen zur selben Zeit, geht Style über alles und Nostalgie vor Kritik. So ist «Hallo Betty» – das zeigt auch der Blick auf die Sponsorenliste – letztlich nichts anderes als eine Fortsetzung der «Betty Bossi Post»: ein gigantisches Marketingprojekt.