Auf allen Kanälen: Hauptsache Experience

Nr. 9 –

Auf den Plattformen von Meta sollen künftig weniger politische Inhalte angezeigt werden. Fake News dürfte das aber kaum stoppen.

stilisiertes Logo des Meta-Konzerns

Ein Blick in den Instagram-Feed zeigt: Videos übers Klettern und Bergsteigen, Comedy zu Ornithologie und dem Leben von Millennials, jede Menge Memes und immer wieder mal sexistische Beiträge über patriarchale Rollenverteilungen. Alles «For You». Politische Themen? Eher rar gesät.

Das wird sich auch in Zukunft kaum ändern. Denn auf den Meta-Plattformen Threads und Instagram sollen politische Beiträge nicht mehr allen User:innen empfohlen und angezeigt werden. Nur wer sich explizit dafür interessiert, soll bedient werden.

Die neuen Regeln betreffen die Feeds von über 1,4 Milliarden Nutzer:innen. Wer sich weiter über Wahlen, bewaffnete Konflikte oder soziale Fragen informieren will, muss den betreffenden Accounts – zum Beispiel jenem der WOZ oder anderer Zeitungen – aktiv folgen oder in den Einstellungen zustimmen, dass man offen für politische Inhalte ist.

«Unser Ziel ist es, Menschen die Möglichkeit zu geben, mit politischen Inhalten zu interagieren, und zugleich ihren Appetit danach zu respektieren», schrieb Instagram-Chef Adam Mosseri auf der Meta-Kurznachrichtenplattform Threads. Die dahinter steckende Überzeugung: Der Appetit darauf ist bei vielen gering.

Lieber unkontrovers

Seriöse Nachrichten dürften es damit noch schwerer haben, grosse Reichweite zu generieren. Verschwörungstheorien und autoritäre Stimmen nutzen dagegen bereits heute Techniken, um in Videos und Beiträgen möglichst unpolitisch und unterhaltsam daherzukommen. Unterhaltung generiert mehr Klicks als Videos mit politischen Analysen oder Reportagen aus Krisengebieten. Im Endeffekt geht es Meta bei den Änderungen auch genau darum: die vom Konzern kreierte Social-Media-Welt unterhaltsamer und wattierter zu machen.

Das war bereits beim Launch von Threads – der Meta-Alternative zu Twitter – so. Mosseri betonte im Juli 2023, dass der Anspruch nicht sei, Twitter (heute X) zu ersetzen. Es solle viel eher ein «öffentlicher Platz für Gemeinschaften» geschaffen werden, «die an einem weniger wütenden Ort für Konversationen interessiert sind» (siehe WOZ Nr. 28/23). Beiträge aus Sport, Musik, Comedy und Mode zu pushen, lohnt sich offenbar auch kommerziell schlicht mehr, als sich mit den mühsamen Fragen rund um die Moderation von politischen Themen zu befassen.

Bereits 2021 meinte Meta-CEO Mark Zuckerberg, dass sich die User:innen weniger kontroverse Beiträge wünschten, die ihre «In-App-Experience» stören würden. Entsprechend zeigt ihnen Facebook schon länger deutlich weniger politische Inhalte an. Die neuen Regeln sollen dafür sorgen, dass Instagram und Threads standardmässig «unpolitisch» sind, bei Facebook sind ähnliche Anpassungen geplant. Tatsächlich befriedigen gerade auf Instagram viele ein Bedürfnis, in eine heile Welt einzutauchen und sich ein bisschen berieseln zu lassen, was ja prinzipiell auch legitim ist.

Allerdings dürfte Meta mit der Weichenstellung auch beabsichtigen, sich selbst das Geschäft einfacher zu machen. Denn die Frage um die Inhaltemoderation ist gerade im Hinblick auf die US-Wahlen virulent. Nun steckt der Konzern politische Inhalte einfach pauschal in die Schmuddelecke. Sie werden zwar nicht geblockt, aber auch nicht mehr empfohlen. Es ist, als würde Meta sagen: «Wir mögen all diesen Content eigentlich nicht. Aber wer ihn will, darf ihn hinter dem Vorhang anschauen. Wir stehen niemandem im Weg.»

Was heisst überhaupt «politisch»?

Medien stellt das vor ganz praktische Probleme: Wie sollen sie es anstellen, eigene Beiträge zu verbreiten? Bereits heute lohnt es sich bei manchen Texten nicht mehr, sie über Meta zur Verfügung zu stellen, weil sie zu «kontrovers» für die Empfehlungsalgorithmen sind und sie ausser den ohnehin interessierten Menschen niemand zu Gesicht bekommen würde.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, was Meta überhaupt als «politischen» Inhalt definiert. Ist ein als Gastrokritik verpackter Spendenaufruf für eine alternative Beiz «politisch» (siehe WOZ-«Täglich» vom 26. Februar)? Ist es eine Reportage über das Schmelzen des Thwaites-Gletschers in der Antarktis? Oder Porträts von AHV-Bezüger:innen (siehe WOZ Nr. 8/24)?

Meta teilt mit: Politisch sei alles, was mit der Regierung und Wahlen zu tun habe, aber auch Beiträge über Gesetze und «soziale Fragen». Eine eher vage Definition.