Ökologie: Anarchist und Büezer
Die Biber sind zurück: Heute leben wieder 5000 in der Schweiz. Mit ihren Dämmen und Teichen bringen sie Dynamik in die Gewässer – so helfen sie unzähligen Tierarten und sogar dem Klima.

Als Kind spielte Ruedi Bühler gern am Bach. Er beobachtete Fische und Frösche. Der Bach floss gleich hinter dem Hof der Familie durch die Wiesen. Wie sein Vater, sein Grossvater und sein Urgrossvater wollte Ruedi Bauer werden.
Mit 16 verliess er den Hof, lernte, arbeitete auf anderen Betrieben. Bis nach Australien zog es ihn. Mit 26 kam er zurück. Das Dorf, Heimenhausen bei Herzogenbuchsee im Berner Oberaargau, hatte eine Güterzusammenlegung hinter sich. Aus Wiesen, die man früher zeitweise kontrolliert überschwemmt hatte, sogenannten Wässermatten, waren intensiv bewirtschaftete Äcker geworden. Den Bach hatte man zwei Meter tiefer gelegt und in ein Korsett aus Betonelementen gezwängt.
Anfangs fand Ruedi Bühler das gut. Er sah den Fortschritt positiv. In Australien waren die Parzellen auch gross. Er übernahm den Hof, heiratete Vroni, sie bekamen zwei Töchter und zwei Söhne. Er züchtete Montbéliarde-Kühe und ging seiner Leidenschaft nach, dem Kartoffelanbau.

Etwa zehn Jahre lang ging alles gut. Dann fiel ihm auf, dass es immer mehr Dünger brauchte, um die Erträge stabil zu halten. Dass nur noch ein einziges Schwalbenpaar auf dem Hof lebte und im Bach kein Fisch, kein Frosch. Trotz der vielen Spritzmittel nahm der Drahtwurm, der Löcher in die Kartoffeln bohrt und sie unverkäuflich macht, überhand. Die Forschungsanstalt Agroscope empfahl Fipronil, ein Mittel aus der Wirkstoffklasse der Neonicotinoide. Wie schädlich es für Bienen ist, wurde erst später bekannt.
Aber Bühler merkte, dass er etwas ändern musste.
Als Erstes renaturierte die Familie den Bach. Bühlers kauften Steine für 5000 Franken und füllten das Betonkorsett damit. Und staunten, wie viel sich veränderte: Die Forellen kamen zurück. Dann Ringelnattern, Eisvögel, Fischreiher. Diese wollte Bühler zuerst mit dem Luftgewehr vertreiben, er hatte Angst um die Fische. «Ich habe zwei, drei Jahre gebraucht, um zu verstehen.» 2009 wurde Bühler in den Gemeinderat gewählt. Gerade rechtzeitig für die Rückkehr der Biber.
Einen halben Kilometer vom Hof entfernt fliesst die Önz Richtung Aare. Bühler erinnert sich, wie er mit Petra Graf von der Naturförderung des Kantons am Flüsschen stand und sich über die Biberschäden aufregte: «Das muss geflickt werden!» – «Da wird gar nichts geflickt!», habe Graf geantwortet. In angespannter Stimmung gingen die beiden Tee trinken. Und entwickelten einen neuen Plan für die Önz.
Castor fiber
Der Europäische Biber ist ein vegetarisches Nagetier mit dichtem Fell und flachem, schuppigem Schwanz. Im Sommer fressen Biber bis zwei Kilo Grünpflanzen am Tag, im Winter fast ein Kilo Rinde. Mit ihren Nagezähnen fällen sie Bäume und Büsche. An Flüssen graben sie ihre Wohnbauten in Steilufer, in kleineren Gewässern errichten sie Burgen aus Holz und Erde im flachen Wasser. Sie bauen Dämme und stauen Bäche, damit der Eingang der Burg immer unter Wasser liegt.
Biber leben monogam in Familien, als eines von ganz wenigen Säugetieren haben sie Bauch an Bauch Sex, schwimmend. Zwischen April und Juni kommen ein bis vier Junge zur Welt. Nach der Geburt ist die Biberin an den sichtbaren Zitzen zu erkennen, sonst sind die Geschlechter kaum zu unterscheiden. Die Jungen bleiben zwei Jahre bei der Familie, dann müssen sie sich ein eigenes Revier mit genug Futter suchen. Bei Revierkämpfen fügen Biber einander manchmal so schlimme Bissverletzungen zu, dass das unterlegene Tier stirbt.
Bauen und stauen
Christof Angst stapft durchs Unterholz. Am Boden wächst Pestwurz, hellgrün, die Blätter so gross wie von Rhabarbern. Dazwischen liegen umgestürzte Baumstämme voller Weinbergschnecken. Dahinter ein Damm aus Ästen und Zweigen. Die Biber sind ganz in der Nähe, man sieht sie bloss nicht.
Angst ist Biologe und seit neunzehn Jahren Leiter der nationalen Biberfachstelle, seit vier Jahren gemeinsam mit Cécile Auberson. Als er anfing, lebten knapp 1500 Biber in der Schweiz. Jetzt sind es schon 5000.
Hier bei Plaffeien liegen zwei Biberreviere direkt nebeneinander. Der Kanton Freiburg grenzt an den Kanton Bern, getrennt durch die Sense, einen der letzten Flüsse der Schweiz, die frei fliessen dürfen. Sie ufert aus, schafft Kiesbänke und Sandinseln, bringt ganze Baumstämme aus den Freiburger Voralpen. Und Samen von Bergblumen wie dem Blauen Eisenhut, der hier im Auwald wächst: «Ein Blättchen im Salat, und du bist tot», sagt Angst. Er scheint jede Pflanze zu kennen, jedes Insekt, jeden Vogelruf. Und weiss schon, wenn er Kaulquappen sieht, ob daraus Erdkröten oder Grasfrösche werden.

Das alles ist ein grosser Vorteil bei der Arbeit mit dem Biber, denn es geht dabei nicht um eine einzelne Art. Sondern um ganze Ökosysteme und noch viel mehr – um die Zukunft der Gewässer und der Landschaft. «Der Biber ist eine unglaubliche Chance für uns», sagt Angst. Er habe ihm eine neue Welt eröffnet. «Es gibt keinen Monat, in dem ich nicht etwas Neues, Erstaunliches entdecke. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen als diese Arbeit.»
In der Sense können Biber nicht leben. Sie ist zu breit, zu reissend, zu hochwassergefährdet. Darum stauen sie die Seitenbäche, die durch den Auwald fliessen – und verändern ihn radikal.
Gleich oberhalb des Damms haben die Biber ihre Burg gebaut: von aussen ein Haufen aus Holz und Lehm, im Innern eine oder mehrere Kammern. Die Eingänge müssen unter Wasser liegen. Immer. Biber stauen, bis dieses Ziel erreicht ist. So schützen sie sich vor Wölfen und Bären. In der Nähe der Burg stauen sie weiter, um ihre Fressplätze schwimmend erreichen und Holz flössen zu können. Christof Angst legt sein Ohr an den Haufen. Das leise Fiepen der Neugeborenen hört man manchmal durch alle Schichten hindurch. Heute nicht – vielleicht sind sie noch nicht auf der Welt.

Der Damm des oberen Reviers ist noch grösser – neunzig Meter lang. Die Biber haben ein Stück Fichtenwald unter Wasser gesetzt. Die Bäume sind ertrunken. Aber das ist alles viel weniger tot, als es aussieht. Ein Stockentenpaar schwimmt herum, ein Schwarzspecht mit leuchtend roten Federn am Kopf hämmert an einem Stamm. Angst filtert aus den vielen Vogelstimmen einen unauffälligen Ruf heraus: den Trauerschnäpper, der in Subsahara-Afrika überwintert hat. Er brütet in Löchern, die Spechte in die abgestorbenen Bäume gehämmert haben.
«Der Biber schafft unendlich viele Strukturen und Lebensräume», sagt Angst, «Tümpel und Schlickflächen, Dickicht, Sumpfwiesen, kaltes und warmes Wasser. Jede Art sucht sich den Lebensraum, den sie braucht.» So wie hier habe es Millionen Jahre lang funktioniert: «Der Biber staut, Sedimente lagern sich ab, die Biberteiche verlanden, eine Biberwiese entsteht. Dann wieder Wald. Und dann kommen wieder Biber. Ein Biberzyklus dauert 50 bis 200 Jahre.»
In manchen indigenen Kulturen Nordamerikas gilt der Biber – oder ein anderes Wassertier, die Bisamratte – als Schöpfer: Am Anfang, als die Erde ein Wasserplanet war, brachte er in seinen Pfoten Erde an die Oberfläche und schuf die erste Insel.
«Die Geschichte passt», sagt Angst. «Der Biber ist wirklich ein ‹creator›. Ein Evolutionsfaktor. Es gibt ihn seit fünfzehn Millionen Jahren; Arten sind entstanden rund um die Lebensräume, die er gestaltete. Als unsere Vorfahren von den Bäumen stiegen, hatte er schon zehn Millionen Jahre lang Bäche gestaut.» Die grössten Biber lebten in Nordamerika, wurden zweieinhalb Meter lang und so schwer wie Schwarzbären.
Klimaschutz und Kläranlage
Fast hätte der Europäische Biber nicht überlebt. Nicht nur sein Fell war begehrt: Seinem Drüsensekret, dem Bibergeil, wurden Wunderkräfte nachgesagt. Und weil Christ:innen am Freitag und in der Fastenzeit zwischen Fasnacht und Ostern kein Fleisch essen sollten, rechneten sie den Biber kurzerhand zu den Fischen, schliesslich lebt er im Wasser und hat einen schuppenartigen Schwanz. Besonders verheerend war die Jagd in der Fastenzeit auf Biberinnen mit Jungen im Bauch. Und als die Tiere selten geworden waren, gab ihnen ein Modetrend den Rest. Im frühen 19. Jahrhundert war ein angesehener Bürger ohne Biberfilzhut undenkbar. Da lieferten schon indigene nordamerikanische Jäger:innen einen grossen Teil der Biberfelle für den europäischen Markt. In Europa waren von 100 Millionen Tieren nur noch 1000 bis 2000 übrig – isolierte Restbestände an der Elbe, in Südfrankreich, Norwegen und Osteuropa.
Erste Versuche, in der Schweiz wieder Biber anzusiedeln, begannen in den fünfziger Jahren, oft mit wenig Erfolg. Um 1980 lebten nur etwas mehr als hundert Biber in der Schweiz, doch ab den neunziger Jahren ging es schnell. Biber besiedelten auch kleine, begradigte Bäche, sogar Betonkanäle, die Fachleute nie für geeignet gehalten hätten. Heute sind es rund 5000 Tiere in 1400 Revieren. Angst hat Pläne: «Das wäre ein schönes Sabbatical: alle Reviere zu Fuss besuchen.» Sogar auf 1700 Meter über Meer im Oberengadin leben wieder Biber.
«Als der Biber verschwand, dokumentierte niemand, welche Arten sonst noch verschwanden», sagt Angst. «Aber heute sehen wir, wie sie zurückkommen.»
Bachaufwärts wird der Biberteich seichter. Wasservergissmeinnicht, Schwertlilien, Binsen und Seggen wachsen im Wasser. Wo es noch seichter wird, überwuchern knallgrüne Algen den Boden. Im Schlick findet Angst die Spur eines Steinmarders. Die Schlickflächen sähen vielleicht nicht besonders schön aus, «aber einmal kam ich im Mai zu so einer Fläche und sah Myriaden Wildbienen, die Lehm für den Bau ihrer Nester holten».

Ein grosses Forschungsprojekt von 2021 bis 2023, das von der Biberfachstelle geleitet wurde, bestätigt die Rolle der Biber für die Biodiversität. Bei Amphibien, Fischen, Krebsen, Libellen, Wasserinsekten und Wasserpflanzen nahm die Artenvielfalt in den untersuchten Biberrevieren um den Faktor 2,6 zu. Noch grösser ist der Einfluss auf die Abundanz: die Individuenzahlen innerhalb der Arten. Sie hat im Schnitt aller untersuchten Biberreviere um das Sechsfache zugenommen. In Revieren, wo Biber Wälder wieder mit Flüssen verbunden haben, gibt es sogar sechsmal mehr Arten und sechzigmal mehr Individuen. Angst gibt ein Beispiel: «Ein Grasfrosch legt 3000 Eier, zur Sicherung der Population müssen nur zwei Kaulquappen überleben. Der Rest ist Futter. Mehr Individuen einer Art bedeuten mehr Biomasse, eben mehr Nahrung. Das macht ein Ökosystem viel widerstandsfähiger.»
Bachforellen werden in Biberteichen nicht nur häufiger, sondern auch grösser. Und Biber helfen nicht nur Arten wie Fröschen und Libellen – wie zu erwarten –, sondern auch Heuschrecken oder Fledermäusen.
Auch aus Klimasicht wäre es unvernünftig, auf die Arbeit der Biber zu verzichten. Das grösste Biberrevier der Schweiz in Marthalen im Zürcher Weinland bindet über das Wachstum von Wasserpflanzen dreimal mehr Kohlenstoff als der Wald, der zuvor dort wuchs. Ein Teil dieses Kohlenstoffs wird in die Sedimente eingelagert, droht also anders als bei absterbenden Bäumen nicht so bald wieder als Treibhausgas in die Luft zu gehen. Biberlandschaften wirken wie natürliche Kläranlagen und können zum Beispiel Nitrat abbauen. Und sie halten viel mehr Wasser zurück als Bäche, halten die Erde in Trockenzeiten feucht. Ein Teil des Wassers verdunstet und kühlt die Umgebung.
«Sturi Cheibe»
Die Schweiz hat sich verpflichtet, 4000 Kilometer Gewässer zu revitalisieren, also natürlicher zu gestalten. «Aber wir kommen viel zu langsam vorwärts», sagt Christof Angst. «Wir sind gerade bei 17 Kilometern im Jahr. In diesem Tempo dauert es bis 2260, bis wir fertig sind.» Revitalisierung bedeutet oft grobe Eingriffe mit schweren Maschinen. «Diese brauchen Diesel, stossen CO₂ aus. Wenn man es klug planen würde, könnte man den Biber in die Revitalisierung einbeziehen. Gut fürs Klima, und es ginge viel schneller und natürlicher.»
Dass sich Biber so schnell und erfolgreich ausbreiten, überrascht auch Fachleute – ganz ähnlich wie beim Wolf. Und wie beim Wolf läuft das Ganze nicht ohne Konflikte ab. Vor neunzehn Jahren sei er noch bei fast jedem angenagten Baum, jedem Biberdamm gerufen worden, erzählt Angst. «Heute gehen wir nur noch bei grösseren Konflikten vorbei. Oft sind wir Mediatoren zwischen Naturschutz und Landnutzern.»
Hier an der Sense, in einem geschützten Auengebiet von nationaler Bedeutung, können die Biber uneingeschränkt Chaos anrichten. Den überschwemmten Wanderweg hat man auf einen Holzsteg verlegt. Doch im Landwirtschaftsgebiet überschwemmen Biber mit ihren Dämmen Felder, sie fressen Mais und Gemüse, verstopfen Entwässerungsrohre oder untergraben Strassen. «Der Biber ist ein Anarchist, staut, wo er will, und Rüben aus dem Feld holt er auch», sagt Angst. «Manchmal haben Bauern Angst, wenn einer kommt, kämen hundert. Viele Probleme löst man mit Information.» Natürlich könne man nicht zurück ins 18. Jahrhundert, zu den grossen Feuchtgebieten im Mittelland. «Wir müssen entscheiden: Wo können wir dem Biber freie Bahn lassen, wo gibt es lösbare Probleme, und wo geht es gar nicht? Auch mitten in Zürich leben Biber – ohne Eingriffe stünde das SRF-Studio am Leutschenbach wohl unter Wasser.»

Biber zu vertreiben, sei allerdings gar nicht so einfach. «Im Kanton Waadt durfte ein Bauer mit behördlicher Genehmigung jeden Tag die Biberdämme abbauen. Am nächsten Tag waren sie wieder da. Die Biber bauten jede Nacht, eineinhalb Jahre lang. Das sind ‹sturi Cheibe›.» Der Biber ist nicht nur Anarchist, er ist auch Büezer.
Diesen Winter hat der Bundesrat in der Jagdverordnung die Regeln zum Biber ausformuliert. Die Umweltverbände kritisierten die Neuerung, es gab sogar eine Kundgebung dagegen. Angst macht sich keine Sorgen: «Geändert hat sich eigentlich nichts.» Schon seit den achtziger Jahren könne man Biber in Notfällen legal abschiessen, es sei einfach noch nie passiert. «Und wenn es einmal nötig sein sollte, ist es kein Problem für die Population – bei 5000 Tieren. Die Hürden für einen Abschuss sind immer noch hoch.»
Wieder volle Brunnen
Heute ist Ruedi Bühler 63 und führt den Hof in einer Generationengemeinschaft mit Sohn Alex. Gewitter ziehen über den Solothurner Jura, auf dem Hofplatz in Heimenhausen hat sich eine riesige Wasserlache gebildet. Alex repariert gerade den Heuladewagen, auf der Weide baden Stare in den Pfützen, am Dach über dem Vorplatz kleben überall Schwalbennester. Mit Mitte fünfzig hat Bühler die regenerative Landwirtschaft entdeckt, die versucht, mit den Böden so gut wie möglich umzugehen (siehe WOZ Nr. 20/20). «Wahnsinn, was das verändert hat. Die Böden hatten kaum noch Humus, jetzt sind sie voller Regenwürmer.» Er braucht keine Pestizide mehr, nur noch schonende Mittel wie Fermente und Komposttee. Vor sechs Jahren hat er auf Bio umgestellt. Biber besiedeln inzwischen nicht nur die Önz, sondern auch den Bach hinter dem Haus. Anders als viele andere Landwirt:innen freut sich Bühler darüber.
Nach der Güterzusammenlegung war der Grundwasserspiegel gesunken. Im Sommer fielen die Brunnen auf dem Hof trocken. «Der Biber hat das Wasser zurückgebracht», sagt Bühler. Die Nagetiere haben kleine Dämme gebaut, etwa alle fünfzig Meter einen. Die Biberburg liegt etwas oberhalb des Hofs, wo der Bach an den Wald grenzt. «Sie sind recht zutraulich, ich habe sie schon oft gesehen.» Zum Glück holten die Biber das Futter im Sommer vor allem aus dem Wald. «Und ich habe keine schlaflosen Nächte, wenn einmal zwei Rapsstängel fehlen.» Die Dämme sorgen dafür, dass das Wasser seitlich versickert und die Erdschichten befeuchtet. Bühlers Brunnen führen wieder ganzjährig Wasser.
Noch augenfälliger sind die Veränderungen an der Önz. Das Flüsschen mäandert durch feuchte Wiesen, hat steile und flache Ufer geschaffen. Der Biber darf die Landschaft hier verändern – bis zu festgelegten Grenzen. «Die Bauern wollten Realersatz, aber wir fanden keinen Quadratmeter.» Also suchte Bühler mit Petra Graf vom Kanton eine andere Lösung: Die Landwirte bekamen Geld für das Land am Flüsschen wie bei einem Verkauf, dürfen es aber weiterhin extensiv nutzen, soweit möglich. «Es braucht auch ein Umdenken bei den Behörden. Auf Biodiversitätsförderflächen ist jeder Strauch festgelegt. Jetzt wird halt manchmal einer vom Biber gefressen. Oder vom Wasser mitgerissen.»
«Das ist eine gute, pragmatische Lösung», sagt Christof Angst von der Biberfachstelle. Ihm schwebt eine neue Kategorie Biodiversitätsförderflächen vor: Land, das überschwemmt wird und dann wieder verlandet, auf dem der dauernde Wandel, den der Biber bringt, erwünscht ist. Die Landwirt:innen sollten entschädigt werden dafür, dass sie die Tiere gewähren lassen. «Der Biber und der Schweizer Ordnungssinn, das clasht halt. Aber Ökosysteme brauchen Chaos, Störung, Katastrophe.» Man müsse den Biber nicht für «die Natur» schützen. «Wir machen das für uns selber – das sind unsere Lebensräume! Wir müssen nicht den Planeten retten, der hat das nicht nötig. Wir brauchen saubere Luft, sauberes Wasser, fruchtbare Böden, damit er für uns bewohnbar bleibt.»
«Die Veränderung in meinem Kopf hat mit dem Bach begonnen», sagt Bauer Ruedi Bühler. «Dank ihm habe ich verstanden, wie alles zusammenhängt.» Mit den Bächen müsse die Veränderung auch weitergehen. Es brauche natürliche Gewässer. «Sie sind Lebensadern. Im Wasser ist das Leben ja auch entstanden.»