Linker Erfolg in Kolumbien: Vom Generalstreik zur Arbeitsreform
Gustavo Petro hat es doch noch geschafft: Seit dem 1. Juli hat Kolumbien ein neues Arbeitsgesetz. Nachtarbeit beginnt von nun an um 19 Uhr (statt wie bisher um 21 Uhr), die gesetzlich festgelegten Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit steigen von 75 auf 100 Prozent. Arbeitsverträge müssen nach vier Jahren automatisch entfristet werden und Auszubildende ab dem zweiten Lehrjahr den Mindestlohn erhalten.
Die «Arbeitsreform», wie das Gesetz genannt wird, gehörte zu den Wahlversprechen, mit denen der Linke Petro die Präsidentschaftswahlen 2022 gewonnen hatte. Obwohl seine Regierung dem hundertseitigen Vorhaben hohe Priorität eingeräumt hatte, war es lange kaum von der Stelle gekommen (siehe WOZ Nr. 24/25). Bei der ersten parlamentarischen Lesung vor zwei Jahren hatten mit Petro eigentlich verbündete Zentrumsparteien das Projekt komplett blockiert, eine überarbeitete Fassung im Frühjahr 2025 scheiterte ebenfalls.
Vor diesem Hintergrund kündigte Petro ein Referendum an, um die Bevölkerung selbst über das Gesetz abstimmen zu lassen. Er ging damit ein erhebliches Risiko ein, denn das verfassungsrechtlich definierte Mindestquorum für Volksabstimmungen liegt bei fünfzig Prozent – eine Beteiligung, die bei den meisten Abstimmungen in Kolumbien nicht erreicht wird. Doch die Arbeitsreform erwies sich als starkes Mobilisierungsthema: Obwohl die Regierung wegen Richtungskämpfen zuletzt deutlich an Zustimmung verloren hatte, beteiligten sich Millionen Beschäftigte an einem zweitägigen Generalstreik zur Unterstützung des Projekts.
Dieser Machtbeweis zeigte Wirkung. Offenbar fürchteten viele Abgeordnete, sie könnten im anstehenden Wahljahr 2026 als unsozial dastehen, wenn sie die Reform weiter blockieren. Um das Referendum und die damit zusammenhängende Debatte über soziale Fragen zu verhindern, wurde das Gesetz völlig überraschend in einem dritten Anlauf neu in den Kongress eingebracht und verabschiedet. Petro unterzeichnete das Gesetz mit den Worten: «Ich unterschreibe vor den Augen Bolívars [Südamerikas Unabhängigkeitsheld, Anm. d. Red.] und des arbeitenden Volkes.»