Zivildienst-Referendum: Von rechts überrollt
Eine breite Allianz will neue Hürden vor dem Zivildienst verhindern. Einen Monat vor Ablauf der Referendumsfrist fehlen ihr aber noch Tausende Unterschriften.
Der Militärdienst ist vielen jungen Männern lästig, er erscheint ihnen sinnlos und unattraktiv. Das Parlament reagiert darauf aber nicht so, wie man vielleicht hätte erwarten können. Statt den Dienst in der Armee interessanter zu gestalten, haben sich dieses Jahr sowohl National- als auch Ständerat dafür ausgesprochen, den Zivildienst unattraktiver zu machen. Künftig sollen, so die Zielvorgabe, statt wie heute fast 7000 nur noch 4000 Personen pro Jahr den Ersatzdienst antreten. Gegen die entsprechende Revision des Zivildienstgesetzes hat eine breite Allianz das Referendum ergriffen. Das hatten die Gegner:innen der Vorlage schon vor der Schlussabstimmung im September angekündigt.
Nun bleibt noch weniger als ein Monat bis zum Ablauf der Sammelfrist – und das Vorhaben droht zu scheitern. Rund 20 000 Unterschriften fehlen dem Komitee noch, und diese über die Festtage zu sammeln, dürfte schwierig werden. «Dass die Frist herausfordernd würde, war von Anfang an klar», sagt Priska Seiler Graf, SP-Nationalrätin und Kopräsidentin des Zivildienstverbands Civiva, «obwohl sich die Unterschriften auf der Strasse leicht sammeln lassen.» Die Reaktionen seien fast durchwegs positiv, der Zivildienst habe sehr viel Rückhalt in der Bevölkerung, sagt Seiler Graf. «Viel mehr als derzeit in der Bundeshausbubble.»
Dammbruch im Bundeshaus
Dort, im Bundeshaus, läuft seit einigen Monaten ein Frontalangriff auf den Zivildienst: Verabschiedet hat das Parlament unter anderem auch ein Postulat, das den Bundesrat dazu auffordert, sich mit der Wiedereinführung der Gewissensprüfung zu beschäftigen. Überwiesen wurden auch zwei gleichlautende Motionen, die die Zusammenlegung von Zivildienst und Zivilschutz fordern. Die Revision des Zivildienstgesetzes ist 2019 noch im Parlament gescheitert. Heuer war die Zustimmung deutlich. In der Sicherheitspolitik hat sich eine Art Dammbruch ereignet. In den Worten von Seiler Graf: «Jeder Unsinn wird durchgebracht.»
Auch das dürfte die Unterschriftensammlung gebremst haben. Von einer «Referendumslegislatur» spricht gar Magdalena Erni, Kopräsidentin der Jungen Grünen, die das Referendum mitinitiiert haben. Die rechte Mehrheit in Parlament und Bundesrat drücke derart viele Vorlagen durch, gegen die laut Erni Referenden ergriffen werden müssten, dass auf linker Seite viele Ressourcen gebunden seien: «Wir werden überrollt.» Zuletzt beschloss das Parlament die Lockerung von Kriegsmaterialexporten, gegen die ein Referendum angekündigt ist. Hinzu kommen verschiedene Volksinitiativen, mit denen die Parteien beschäftigt sind: Gerade wurden die Initiative für den Beitritt der Schweiz zum Atomwaffenverbotsvertrag und die Solar-Initiative eingereicht.
Das Ziel ist klar
Bei der Allianz, die sich gegen die Revision des Zivildienstgesetzes formiert hat, finden sich die linken Parteien, die EVP, der Zivildienstverband Civiva, aber auch Fachverbände, etwa der Verband der Kitas Kibesuisse. Dieser schreibt in einer Medienmitteilung, er mobilisiere seine Mitglieder, weil Zivildienstleistende wichtig seien, um «die negativen Folgen des Personalmangels in der Kinderbetreuung abzumildern». Ebenso Teil der Allianz ist die Kleinbäuer:innenvereinigung. Deren Vorstandsmitglied Donat Capaul hat unlängst im Magazin «Schweizer Bauer» einen eindringlichen Leserbrief veröffentlicht, um für das Referendum zu werben: Schon heute würde die Nachfrage nach Zivis in der Landwirtschaft das Angebot übertreffen, so Capaul. Deren Arbeit sei für Natur und Gesellschaft von «enormem Wert».
Dass der Militärdienst von «enormem Wert» sei, kann nicht behauptet werden. Jedenfalls sehen viele Soldaten selbst nicht genug Sinn darin, um den Dienst auch bis zum Ende zu leisten: 2023 gingen laut Bundesrat rund ein Drittel der Zivildienstgesuche auf das Konto von jenen, die es wissen müssen – von Armeeangehörigen, die die Rekrutenschule bereits absolviert hatten.
Statt zuzuhören und Anpassungen am Militärdienst vorzunehmen, will das Parlament nun genau dort den Hebel ansetzen: bei jenen, die raus aus der Armee wollen. Sie sollen nach dem Übertritt in den Zivildienst künftig mehr Diensttage leisten. Es ist die wichtigste Verschärfung, die die Revision vorsieht. Hinzu kommt, dass eine neue jährliche Einsatzpflicht für Zivis eingeführt werden soll. Bislang durften die Diensttage freier gewählt werden.
Dabei fehlen der Armee gar keine Soldat:innen. Es gibt derzeit mehr Armeeangehörige, als der Bund vorsieht. Und ob die Armee von einer Schwächung des Zivildiensts überhaupt profitierten würde, ist unklar. «Dann wird dafür der ‹blaue Weg› attraktiver», sagt Priska Seiler Graf, die Ausmusterung aus gesundheitlichen Gründen also.
Entsprechend drängt sich der Eindruck auf, es gehe ohnehin eher um überholte Männlichkeitsbilder, um Moral und Disziplin als um die Stärkung der Armee. «Auf den ersten Blick wirken die jetzigen Verschärfungen vielleicht nicht gravierend», sagt Magdalena Erni. «Aber langfristig ist das Ziel der Bürgerlichen klar: die Abschaffung des Zivildiensts.»