Der Super-Sunday

Die grossen Umweltprobleme sind andere

Illustration: Ruedi Widmer

Mit ihrer überteuren Kampagne gegen das Jagdgesetz setzten die Umweltverbände falsche Prioritäten. Ein Neuanfang beim Artenschutz wird nur möglich, wenn sich die verhärteten Fronten aufweichen.

Das Institut für Politikwissenschaften der Uni Bern publizierte vor knapp zwei Wochen erstaunliche Zahlen: Nicht etwa zur Kündigungsinitiative der SVP wurden in diesem Abstimmungskampf am meisten Inserate veröffentlicht. Nein, Spitzenreiter war das Jagdgesetz – und zwar mit Abstand: Seit 2013 gab es nur zu sechs Abstimmungen, etwa zur «Masseneinwanderungsinitiative» oder zur Unternehmenssteuerreform III, mehr Inserate.

Ja, sie waren überall, die Bilder von Luchs, Biber und Wolf im Fadenkreuz. Bei einem Ja könne künftig «jeder Kanton selbst entscheiden, ob er die Bestände von Wölfen, Bibern oder Graureihern dezimiert», schrieb Sara Wehrli von Pro Natura in einem Gastbeitrag in der WOZ. Dabei hatten sich sowohl Parlament als auch Bundesrat gegen eine Regulierung von Biber und Graureiher ausgesprochen, und der Verordnungsentwurf sah nichts dergleichen vor. Um diese Tierarten regulierbar zu machen, hätte es eine Motion mit Zustimmung beider Räte, einen Vorschlag des Bundes und eine Vernehmlassung gebraucht – nicht einfach ein Ja zum Jagdgesetz. Und auch mit dem neuen Gesetz hätte eine Regulierung den Bestand der Art nicht gefährden dürfen.

Das Nein zum Gesetz hat gute Seiten: Die Verantwortung für geschützte Arten bleibt beim Bund, und die Kantone brauchen die Zustimmung des Bundesamts für Umwelt, wenn sie Wölfe regulieren wollen. An anderen Missständen, die das Referendumskomitee am neuen Gesetz anprangerte, hat das Nein hingegen nichts geändert: Auch mit dem bisherigen Gesetz bleiben Schneehuhn, Waldschnepfe, Schnee- und Feldhase jagdbar. Das sollte das Parlament bei der nächsten Revision ändern – doch bis dahin wird es einige Zeit dauern.

Dass die NutztierhalterInnen im Berggebiet nicht so lange warten wollen, ist verständlich: Der Wolf breitet sich rasant aus, gerade wurde südlich des Walensees ein elftes Rudel entdeckt. Neben konsequentem Herdenschutz braucht es Möglichkeiten, Wölfe zu regulieren, bevor sie viele Schafe gerissen haben. Das Referendumskomitee hat sich bei dieser Frage offen gezeigt. So ist hoffentlich ein Neuanfang möglich, der die Fronten, die sich im Abstimmungskampf verhärtet haben, wieder aufweicht. Artenschutz funktioniert nur, wenn die betroffenen Menschen mitmachen, und Sündenbockpolitik hilft nicht weiter.

Ein bitterer Nachgeschmack bleibt: Hätten Pro Natura und Co. neben der Inserateflut zum Jagdgesetz etwas Geld und Energie in die Kampagne gegen die Kampfjets investiert, wäre diese Abstimmung zu gewinnen gewesen. Mit ihren Dreckschleudern ist die Armee die viel grössere Bedrohung für Natur und Umwelt als alle JägerInnen dieses Landes. Das marode AKW Beznau, der Autoverkehr, die Zubetonierung des Kulturlands, Pestizide und die Geschäftspraxis der Schweizer Konzerne im Ausland übrigens auch.