Lampedusa: Als Grenze nur der Horizont

Nr. 38 –

Gleich zwei Mal stand Ursula von der Leyen letzte Woche an einem Pier. Zuerst in Europas Norden, in Kopenhagen. Dort taufte sie für die Reederei Maersk das erste mit Methanol betriebene Containerschiff. Dieser Augenblick verwandle die Herausforderung der Klimaerhitzung in eine Wachstumsstrategie, sprach die EU-Kommissionspräsidentin. «Auf diesem Weg ist nur der Horizont eine Grenze für uns.»

Nur wenige Tage später traf von der Leyen ganz im Süden des Kontinents ein, auf der italienischen Insel Lampedusa. Im Hafen blickte sie mit Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni auf die brüchigen Holzschiffe, mit denen einmal mehr Tausende Geflüchtete angelandet waren. Dann präsentierte sie entschlossen einen Zehnpunkteplan, bei dem nicht bloss der Horizont die Grenze bildet. Vielmehr wird das ganze technologische und rechtliche Arsenal aufgeboten, das den EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung steht, um die Grenze im Mittelmeer noch etwas schärfer zu ziehen: Von der «Intensivierung der Grenzüberwachung» über die «Intensivierung der Rückkehroperationen» bis zur «Bekämpfung des Menschenschmuggels» ist die Rede. Nur am Rand ging es um die Schaffung legaler Einreisewege nach Europa.

Dabei müssten es von der Leyen und Meloni besser wissen. Erst im Juni waren sie nach Tunesien gereist, um dem dortigen Autokraten Kais Saied eine Milliarde Euro zu versprechen, damit er für Europa den Grenzwächter spielt. Allerdings dürfte die Ankündigung des Abkommens die Menschen erst recht auf die gefährliche Überfahrt nach Lampedusa getrieben haben. Ob sich die Vereinbarung dereinst umsetzen lässt, darf zudem bezweifelt werden: Saied, der selbst gegen Geflüchtete aus Subsaharastaaten hetzt und sie in die Wüste deportieren lässt, gilt als unzuverlässiger Partner.

Stattdessen wäre es zukunftsträchtiger, die Schaffung legaler Fluchtwege ins Zentrum der europäischen Asylpolitik zu stellen. Klimafreundlichere Fähren, die statt Waren Menschen zwischen den Kontinenten transportieren, könnten ein Anfang sein.