Auf allen Kanälen: Unsere kleinen Reichen
Die «Bilanz» versammelt die 300 Reichsten des Jahres 2025 in einem Heft. Fast alle sind wieder reicher geworden.
Das Gute an der Erbschaftssteuer-Abstimmung ist ja, dass sie vorbei ist und man sich das insbesondere von Unternehmer Peter Spuhler professionell vorgebrachte Gejammer von den Entbehrungen eines Milliardärs nicht mehr anhören muss. Das Schlechte ist, dass all diese Reichen ihre unter überreizten Drohgebärden gepackten Koffer wieder ausräumen und in der Schweiz bleiben, wir uns also weiter mit ihnen beschäftigen müssen. Andererseits tun wir das ja gerne, besonders weil gerade wieder die «Gold-Bilanz» erschienen ist.
Die Kapitalist:innen-Illustrierte listet verdankenswerterweise jedes Jahr die 300 Reichsten der Schweiz auf. Die Lektüre ist nicht gerade eine Tour durch die Welt hart arbeitender KMU-Besitzer:innen, als die sich unsere Vermögenden gerne geben, sondern eher ein Blick in deren Champagnerkeller, Pferderennställe und Immobilienportfolios. Es geht um Wachstumsmärkte, Aktienkurse, Leute, die «aus dem Nichts» Reedereien oder Optikerketten aufgebaut haben, oder Leute, die «schneller als der Markt» wachsen wollen. Man lernt wahre Dinge wie «Luxus ist und bleibt ein prima Business» oder: «Geld macht aus Geld noch viel mehr Geld.» Daneben gibt es Anlagetipps und Werbung für teures Zeug, und Roger Federer muss seltsamerweise immer noch neben Kaffeemaschinen rumstehen und Espressotassen halten – trotz eines Vermögens von «bis zu 1,5 Milliarden Franken».
In einer Generation vervielfacht
Es geht also allenthalben ums Geschäft. Doch wer meint, das wäre alles, was die Reichen interessiert, hat sich geschnitten; im Editorial heisst es über Partners-Group-Gründer Alfred Gantner und seine Kompagnons, die auch auf der Liste sind, die Männer mit mehr Geld als Trump hätten im Zollstreit den Durchbruch erzielt und damit bewiesen, dass ihnen auch das Gemeinwohl am Herzen liege. Interessante Interpretation, denkt man sich und bleibt auf der Suche nach «Gemeinwohl» und «Gantner» im Netz an Bildern von dessen 35 000-Quadratmeter-Grundstück am Vierwaldstättersee hängen – natürlich mit Bootshaus!
Verglichen mit den Spitzenreitern ist der Mormone und Manager mit seinen drei Milliarden Franken allerdings ein kleiner Fisch. Chanel-Erbe Gérard Wertheimer (Platz 1 der Reichsten) und die Pharmaerb:innen Hoffmann, Oeri und Duschmalé (Platz 2) besitzen zehnmal so viel wie Gantner. Weiter geht die Rangliste mit Andrea Pignataro (Finanzdaten, Software, Hotels), den die italienischen Behörden kürzlich wegen Steuerhinterziehung angezeigt haben, und den Familien Aponte (die MSC-Erben) und Safra (Banken, Immobilien). Die Vermögen der Top 5 reichen von 25 bis 34 Milliarden Franken.
Die zehn Reichsten besitzen zusammen mehr als ein Viertel des Gesamtvermögens in der Schweiz, ein neuer Rekord. Pro Kopf liegt das Vermögen der 300 Reichsten bei über 2,8 Milliarden Franken. 1989, als die «Gold-Bilanz» noch die 100 Vermögendsten listete, lag es bei 660 Millionen, es hat sich also in einer Generation vervielfacht. Ein Prosit auf die marktorientierte, kapitalistische Reproduktion! Oder in den weisen Worten der «Bilanz»: «Munter schrauben sie an der Rendite.»
Aufsteiger Supino
Eine bemerkenswerte Personalie ist die Coninx-Familie, die ihr Vermögen dank der firmeneigenen Plattform Swiss Marketplace Group («Börsengang des Jahres») um 1,5 auf 3,5 Milliarden Franken fast verdoppelte, während sie ihre Tamedia-Redaktionen kahlspart. Der Kapitalistengeist des «finanziell ambitionierten» Pietro Supino, Verwaltungsratspräsident und Coninx-Erbe der fünften Generation, scheint seine Redaktionen im Griff zu haben: Laut Abstimmungsmonitor des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) haben diese wie praktisch alle Medien unausgewogen, also fast nur negativ, über die Erbschaftssteuer-Initiative berichtet – das muss der berühmte Trickle-down-Effekt sein. In einer brandaktuellen «Tages-Anzeiger»-Werbung heisst es unsinnigerweise: «Wenn alle nicken, fragen wir warum».
Apropos: Warum diese Leute eigentlich so reich sind, wie sie sind, darüber lernt man bei der Lektüre nur wenig. Die Ökonom:innen Isabel Martinez und Enea Baselgia haben es anhand der «Bilanz»-Listen der letzten dreissig Jahre genauer untersucht und sind zum Schluss gekommen: Erben ist der Hauptfaktor für den Reichtum, ausserdem eine auf (besonders ausländische) Wohlhabende ausgerichtete Steuerpolitik. Auf ein besonders wohliges Gemeinwohl!