Ausstellung: Virginia Woolf neu entdecken

Nr. 10 –

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Ausschnitt aus einem historischen Buchcover von «Mrs. Dalloway»
«Virgina Woolf & Mrs. Dalloway» in: Zürich Museum Strauhof. Noch bis 18. Mai 2025. strauhof.ch

Virginia Woolfs Texte waren wegweisend für Literatur und Feminismus, die Schriftstellerin selbst wurde als Stilikone verehrt. Woolf publizierte in ihrem Verlag Hogarth Press zentrale Werke der Moderne. Lange dominierte das Bild einer kränklichen, einsamen Dichterin, die auf ihrem Landsitz im Grünen nach Worten rang, bevor sie sich das Leben nahm. Wie falsch dieses Bild ist, zeigt jetzt eine beeindruckende Ausstellung im Strauhof, die Woolf im Kontext ihrer Zeit und ihres Umfelds beleuchtet.

Im Zentrum der Ausstellung steht der Roman «Mrs. Dalloway» aus dem Jahr 1925, in dem Woolf die Technik des «stream of consciousness» perfektionierte. Anstatt die sichtbare Welt möglichst präzise zu beschreiben, wie es für Romane des 19. Jahrhunderts typisch war, zielt dieses literarische Verfahren darauf ab, die seelischen und kognitiven Prozesse aufzuzeichnen, die durch alltägliche Sinneseindrücke im Bewusstsein ausgelöst werden. Dabei vermischen sich Gegenwart und Vergangenheit, denn jedes Geräusch, jeder Geruch, jeder visuelle Eindruck kann bei den Figuren eine Kaskade von Erinnerungen auslösen.

Besonders gelungen an der Ausstellung ist, wie Woolfs Schaffen historisch kontextualisiert wird: Ohne langweilige Texttafeln oder didaktische Exkurse, dafür mit attraktivem Film- und Bildmaterial wird das Lebensgefühl der Zeit vermittelt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Erste Weltkrieg, der als kollektives Trauma und ständige Bedrohung die Voraussetzungen schuf, unter denen die moderne Literatur im Allgemeinen und Woolfs Werk im Besonderen entstanden sind. Auch Bezüge zum Kolonialismus, zur Frauenrechtsbewegung und zum Antisemitismus werden sichtbar gemacht. Durch die sinnlich gestalteten Räume, die aufschlussreichen Texte und die Omnipräsenz der bunten Grafiken, die Woolfs Schwester Vanessa Bell für die Publikationen der Hogarth Press entwickelt hatte, ist es der Kuratorin Elisabeth Bronfen gelungen, den Strauhof in einen Ort zu verwandeln, an dem Woolf und ihr Werk (neu) entdeckt werden können.