Eine traurige Komödie
Am 14. Juni zelebrieren die USA dieses Jahr gleichzeitig 250 Jahre US Army, den patriotischen Flag Day (Tag der Flagge) und den 79. Geburtstag von Donald Trump. «Eine göttliche Fügung», jubelt das MAGA-Camp.
Ich stelle mir vor, dass der betagte Jubilar die Parade sitzend abnehmen wird, da ihn die Knochensporne an den Fersen drücken, die ihn vor rund sechzig Jahren vor dem Aktivdienst in Vietnam bewahrt haben. Gattin Melania, die sich im letzten Moment zur Teilnahme entschlossen hat, sitzt etwas abseits unter ihrem olivgrünen Ascot-Hut. Ihr Lebensmotto, «I don’t care» (ist mir alles scheissegal), hat sie diesmal nicht grossflächig aufs strenge Deuxpièces appliziert, bloss diskret mit Goldfaden ins Futter gestickt. Der Verteidigungsminister Peter Hegseth präsentiert sich in seiner ganzen athletischen Pracht. Doch er schaut nicht nur wegen der Fliegerstaffel immer wieder besorgt in den Himmel. Wie wasserfest ist seine sorgfältig melierte Frisur? Wäre doch peinlich, wenn der oberste Krieger so elend dastünde wie im November 2020 der Exbürgermeister von New York, Rudy Giuliani, dem die Haarfarbe das Gesicht hinunterlief wie billiger Mascara.
An der Ehrentribüne vorbei marschieren derweil die Offiziere und das soldatische Fussvolk in ihren schmucksten Galauniformen. Massive Panzer rollen die Strassen der US-Hauptstadt kaputt (geschätzte Reparaturkosten: 16 Millionen Dollar). Fallschirmspringer fallen vom Himmel und überbringen dem US-Präsidenten zum Wiegenfest ein Sternenbanner. Ganz zum Schluss, wenn die Zuschauer:innen schon am Aufbrechen sind, kommt noch ein Bataillon mit Schwarzen, schwulen und weiblichen Armeeangehörigen. Ihre Tenues wirken etwas abgetragen. Der Aufwand für ihre Neueinkleidung hat sich nicht mehr gelohnt, da diese Truppen bald ganz aus dem US-Militär verschwinden, das endlich wieder eine Institution des Manly Man, das heisst des heterosexuellen weissen Mannes, sein wird.
Wie war das schon wieder mit der Wiederholung der Geschichte als Farce? 1946 feierten die USA mit einer grossen Militärparade in New York das Ende des Zweiten Weltkrieges. Im Juni 1991 dann füllte die «Desert Storm Victory Parade» die Strassen von Washington D. C. Der damalige Präsident George Bush senior markierte mit dem Aufmarsch – etwas voreilig, wie sich herausstellte – das siegreiche Ende des (ersten) Golfkriegs. Die aktuelle «Grand Military Parade and Celebration» huldigt nurmehr einem ungekrönten König. Und das, während in der Ukraine, in Gaza, dem Sudan, Myanmar und Haiti sehr reale Kriege wüten. Mehr noch: während US-Streitkräfte gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden.
Letzteres – das, was zurzeit in LA abgeht – ist ebenfalls ein Stück trumpsches Schmierentheater. Kalifornien hat keinen Militäreinsatz angefordert. Der mit fast 40 Millionen Einwohner:innen bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA verfügt über 75 000 uniformierte Polizeibeamte, mehr als 9000 davon arbeiten allein in Los Angeles. Die Entsendung der Nationalgarde und der Marines ist eine Machtdemonstration der Trump-Regierung, allenfalls ein Testlauf für die landesweite Einführung des Kriegsrechts. Oder, um im Theaterjargon zu bleiben, eine wichtige Probe für das Endspiel des Autoritarismus.
Nach seiner Wahlniederlage im November 2020 hatte Präsident Trump versucht, die demokratische Machtübergabe mittels Gerichtsverfahren zu verhindern. Damals setzte er noch nicht aufs Militär. Jedenfalls nicht direkt. Er unterliess es lediglich, die Nationalgarde zu mobilisieren, als seine Anhänger:innen am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmten. Der zivile Putschversuch scheiterte. Trump spielte vier Jahre lang Golf und sann auf Rache. Das Resultat seiner erzwungenen Retraite fasste der wiedergewählte Präsident kürzlich so zusammen: «They spit, we hit.» Sie spucken, wir schlagen.
An dieser Stelle lesen Sie immer freitags «Fussnoten aus dem Trumpozän» von Lotta Suter. Die Mitbegründerin sowie langjährige Redaktorin und Auslandskorrespondentin der WOZ lebt seit vielen Jahren im US-Bundesstaat Vermont. Von dieser ländlichen Peripherie aus schreibt sie bis Mitte Juli ihre Kolumne, in der sie dem Echo der Politik in Washington lauscht.