Harris’ Lachen: Ein Schlüssel im Wahlkampf?

Wer wird den Wahlkampf ums Weisse Haus gewinnen? Auch Richard Sennett, der mit Büchern wie «Verfall und Ende des öffentlichen Lebens» und «Der flexible Mensch» zu einem der herausragendsten US-Soziolog:innen der Gegenwart wurde, ist zuversichtlich, dass Kamala Harris im November das Rennen machen wird. So erzählt er es gestern Abend bei seinem Auftritt am Zürcher Theaterspektakel. Zugleich fürchtet er, dass es im Nachgang der Wahl erneut zu gewaltsamen Aufständen von enttäuschten Trump-Anhänger:innen kommen könnte. Damit sind wir schon mittendrin in Sennetts neuem Buch über politische und andere (Selbst-)Darsteller:innen: «The Performer» handelt von Massen oder Einzelpersonen, die uns und dabei immer auch sich selbst in ein emotionales Theater der Gewalt oder der Verführung verwickeln.

Auf der idyllischen Seebühne des Theaterfestivals sprach gestern nicht nur der Soziologe, sondern auch der einstige Konzertcellist Sennett mit seinem geschärften Sinn für die nonverbalen Anteile jeder Kommunikation. Kernstück einer Performance ist für Sennett das Aufeinandertreffen von konkreten Körpern in einem realen öffentlichen Raum. Das Talent einer guten Selbstdarstellerin, das Können eines schauspielerisch gewieften Politikers zeige sich auch darin, wie er oder sie sogar abgestandene Klischees und sinnfreie, wirr zusammengestückelte Sätze in einen fesselnden Austausch mit einem Publikum verwandeln könne.

Womit wir wieder bei Trump wären. Mit Sennett gedacht ist es nur folgerichtig, dass die menschenverachtende, bösartige Inszenierung von Trump nun zuallererst mit einer charmanten Gegenperformance gekontert werden muss, die seine hasserfüllte aushebelt. Das mitreissende, fröhliche Lachen von Kamala Harris – auf das ihr Widersacher ja auffallend schnell und heftig ablehnend reagierte – ist deshalb tatsächlich von entscheidender Bedeutung: der eigentliche Gamechanger in diesem Wahlkampf.

Auch der bereits 81-jährige Sennett selbst erweist sich als einnehmender Performer mit Schalk und Selbstironie. Und das war auch sein Ratschlag an das zahlreich erschienene Publikum in Zürich: bescheiden sein, sich stets als eine:n unter vielen betrachten und sich entsprechend verhalten. Politische Krisen könnten nur sozial beantwortet werden.

Richard Sennetts Buch «The Performer. Art, Life, Politics» erscheint im Oktober unter dem Titel «Der darstellende Mensch» bei Hanser Berlin auf Deutsch.