Sachbuch: Einfühlsam, nicht idealisierend

Keine Intellektuelle, keine exponierte Frauenrechtlerin und keine Führungsperson der kommunistischen Bewegung sei sie gewesen, schreibt der Historiker Christopher Kopper – aber doch eine fesselnde Persönlichkeit. Die Rede ist von Olga Benario, die bereits 1928 aus Deutschland fliehen musste, über Moskau nach Brasilien gelangte, von dort 1936 in ihr Heimatland ausgeliefert wurde und 1942 in Nazihaft starb.
Von der 1908 in München geborenen Jüdin ist im Deutschland der Gegenwart nur noch selten die Rede. Während in Brasilien ganze Siedlungen nach ihr benannt werden, scheint der deutschen Erinnerungspolitik die Kommunistin Benario unheimlich zu sein. Wenn man Koppers Biografie liest, ahnt man, warum. Die aus einer bürgerlichen Familie stammende Benario schloss sich als Fünfzehnjährige dem kommunistischen Jugendverband an, zog mit nicht einmal siebzehn nach Berlin-Neukölln, das damals als raues Arbeiterquartier galt, und musste 1928 ins Exil, weil sie den Gefängnisausbruch ihres Lebensgefährten Otto Braun mitorganisiert hatte.
In der Sowjetunion bewarb sich Benario als eine der ersten Frauen für eine militärische Ausbildung und liess sich wenig später von der Komintern nach Brasilien schicken, wo sie an der Seite des linken Offiziers Luiz Carlos Prestes einen bewaffneten Aufstand vorbereiten sollte. Der Plan scheiterte. Obwohl Benario von Prestes schwanger war, lieferte die brasilianische Regierung sie an Nazideutschland aus, wo sie erst als Linke, dann auch als Jüdin in Haft sass.
Kopper hat aus dieser Vita ein bestens recherchiertes und glänzend geschriebenes Buch gemacht. Dabei rückt er manches zurecht, was in der Geschichtsschreibung der DDR (die Benario als Kultfigur behandelte) verfälscht wurde. Einfühlsam, aber nicht idealisierend zeichnet Kopper das Bild einer unbeugsamen, mutigen und sensiblen Frau, die – wie Eugen Leviné es über die Kommunist:innen seiner Zeit ausdrückte – «als Tote auf Urlaub» lebte und viel zu früh starb. Raul Zelik