Wahlen im Jura: Moutiers erster Minister
Premiere im Kanton Jura – die SP erringt in der Regierung eine Mehrheit. Dabei spielt Moutiers Wechsel von Bern zum Jura wohl eine entscheidende Rolle.
Um halb drei Uhr sah es noch so aus, als könnte der SVP der Coup gelingen: der erstmalige Einzug in die jurassische Regierung. Zu diesem Zeitpunkt am Sonntagnachmittag hatte SVP-Kandidat Fred-Henri Schnegg noch am fünftmeisten Stimmen, aber noch fehlten die Resultate aus Delémont, Porrentruy und Moutier.
Rund eine Stunde später stand dann fest, dass das Ergebnis des zweiten Wahlgangs tatsächlich historisch ist – allerdings nicht wegen der SVP. Stattdessen werden neben Stéphane Theurillat und Jean-Paul Lachat von der Mitte erstmals gleich drei SP-Politiker:innen in der jurassischen Regierung Einsitz nehmen: die bisherige Rosalie Beuret Siess, Parteipräsident Raphaël Ciocchi und Valentin Zuber aus Moutier.
Eigenheiten des Majorzsystems
Zuber ist in den Tagen nach seiner Wahl ein gefragter Mann, tritt in Fernseh- und Radiosendungen der West- und der Deutschschweiz auf. Seine Wahl ist gleich in doppelter Hinsicht bemerkenswert: So wird er nicht nur Teil der ersten SP-Regierung, sondern auch der erste Minister aus Moutier, das ab dem 1. Januar 2026 zum Kanton Jura gehört. Zubers Herkunft könnte bei den Wahlen eine bedeutende Rolle gespielt haben, wie er selber glaubt: «Ich bin nicht sicher, ob die SP drei Sitze gewonnen hätte, wäre ich nicht ein bekannter Autonomist aus Moutier.»
Tatsächlich ist Zuber bekannt für sein Engagement in der Jurafrage: Jahrelang setzte er sich für den Wechsel Moutiers vom Kanton Bern zum Jura ein, engagierte sich aber auch in der lokalen SP und amtet seit 2019 als Gemeinderat von Moutier. Der Kantonswechsel der Stadt ist für die politische Landschaft des Jura nicht unbedeutend: So erhält der Kanton damit knapp 5600 neue Stimmberechtigte – rund zehn Prozent mehr. Von ihnen hat Zuber unter allen Kandidierenden die meisten Stimmen erhalten. Er erzählt, es hätten sich während des Wahlkampfs zahlreiche Leute bei ihm gemeldet, die sonst nie SP wählten. «Sie meinten, sie würden für mich stimmen, weil es wichtig sei, dass Moutier in der Regierung vertreten ist.»
Zuber, studierter Politologe, betont, dass im Majorzverfahren, wie es bei Exekutivwahlen gängig ist, Personen wichtiger seien als Parteien. «Natürlich hat die SP ihre Wähler:innen stark mobilisiert, aber um eine Mehrheitswahl zu gewinnen, braucht man auch Stimmen ausserhalb der eigenen Partei.» Wenig erstaunlich, dass es für den bisherigen Martial Courtet, der nach einem Bruch mit der Mitte-Partei als unabhängiger Kandidat angetreten war, nicht reichte. Doch bleibt die Untervertretung der SVP frappierend: Nach Zugewinnen beim ersten Wahlgang vom 19. Oktober ist die Partei nach Mitte und SP drittstärkste Kraft im mehrheitlich bürgerlichen Parlament, ihrem als gemässigt geltenden Kandidaten Schnegg wurden Chancen auf einen Sitz in der Regierung eingeräumt – trotz antiseparatistischer Haltung.
Donald Trumps Einfluss
Ihn überrasche das Scheitern der SVP nicht, sagt Pascal Sciarini. Der Genfer Professor für Politikwissenschaft und Experte für Schweizer Politik weist darauf hin, dass die SVP grundsätzlich bei Parlamentswahlen besser abschneide als bei Regierungswahlen. «Das gilt für die ganze Schweiz, ist aber in der Romandie noch etwas ausgeprägter.» Hier schaffte die SVP in einigen Kantonen noch gar nie den Einzug in die Regierung.
Auch die linke Regierungsmehrheit bei bürgerlich dominiertem Parlament ist für Sciarini keine Sensation. «Die Situation ist zwar für den Jura neu, wir kennen sie aber aus anderen Kantonen, etwa aus Genf, der Waadt oder Neuenburg.» Dass eine solche Konstellation in der Romandie häufiger vorkomme, hänge unter anderem mit der relativen Geschlossenheit der Linken zusammen. «Sie profitiert von der Spaltung der Rechten, die, wie aktuell im Jura, seltener Koalitionen eingeht.» Seit dem Aufstieg der SVP würden sich jedoch die früher sehr unterschiedlichen Parteiensysteme zwischen den Kantonen immer mehr annähern. Linke Siege dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SVP auch in der Romandie wachse. «Die SVP steht sozusagen vor den Toren der Regierung.»
Könnten die politischen Entwicklungen im Kanton auch in der schwierigen wirtschaftlichen Lage begründet liegen? Die exportorientierte jurassische Wirtschaft wurde von Donald Trumps Zöllen hart getroffen, die Arbeitslosenquote ist schweizweit die höchste. «In Zeiten wirtschaftlicher Instabilität sind politische Parteien wie die SP oder die SVP, die ziemlich offensichtliche Lösungen für Probleme bieten, oft erfolgreich», meint dazu der neue Regierungsrat Zuber. Seine Partei führte im Herbst einen Wahlkampf mit klassischen SP-Themen: Kaufkraft, Gesundheit, Umwelt und Gleichstellung. «Vor dem zweiten Wahlgang haben wir dann versucht, unsere Fähigkeiten als Führungskräfte hervorzuheben, und uns weniger auf linke Themen konzentriert.»
Trotzdem darf man wohl damit rechnen, dass die SP ihren Spielraum in der Regierung nutzen wird. So sagt Zuber: «Nicht alle politischen Vorhaben müssen vom Parlament abgesegnet werden.» Und mit der Mitte, mit der die SP im Parlament eine Mehrheit hält, arbeite man etwa in Moutier schon lange eng zusammen. «Mitte und Links sind nicht unvereinbar. Man muss nur die Themen gut setzen.»