SRG-Abkommen: Aus dem Aargau für den Aargau
Praktisch im Wochentakt arbeitet sich die CH-Media-Gruppe an der SRG ab. Nun kommt ihr diese mit einer massgeschneiderten Lösung bei den Sportrechten entgegen.

In den grossen Städten, in Zürich, Basel oder Bern, nimmt man die Regionalzeitungen von CH Media viel zu selten wahr. Dabei ist ihre Gesamtauflage die reichweitenstärkste der Schweiz. Dafür weiss man überall sonst im Land, wo man die «Aargauer Zeitung», die «Obwaldner Zeitung» oder das «St. Galler Tagblatt» liest, dass diese Titel eine informative Inlandberichterstattung machen. Mit gewaltiger Schlagseite bei einem Thema allerdings: bei der SRG. Fast schon obsessiv arbeitet sich Medienredaktor Francesco Benini in immer neuen Beiträgen am öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen ab. Mitte April war in der Samstagsausgabe wieder einmal eine Doppelseite fällig: «Die SRG wächst trotz zahlreicher Sparprogramme», kritisierte Benini. Was in der Auseinandersetzung kaum je offengelegt wird: dass es zwischen CH Media und SRG um veritable Geschäftsinteressen geht.
Denn CH Media, die sich zu 65 Prozent im Besitz der Verlegerfamilie von Peter Wanner und zu 35 Prozent im Besitz der NZZ befindet, verlegt nicht nur Regionalzeitungen. Sie vereint über siebzig Marken aus TV, Print, Radio, Online und Streaming unter einem Dach und ist damit die grösste private Fernsehgruppe der Schweiz, mit Sendern wie Tele Züri, Tele M1 oder 3+. Dabei kommen sich CH Media und SRG beim prestigereichen Geschäft mit den Sportrechten immer wieder in die Quere. So etwa bei den Klubwettbewerben der Uefa (Champions League, Europa League, Conference League). In den Saisons 2021 bis 2024 lagen die Lizenzrechte für die Free-TV-Übertragung der Spiele bei CH Media. Dann holte die SRG sie sich zurück. «Das Angebot der SRG war offenbar unschlagbar hoch», hiess es in einer Mitteilung von CH Media.
Streit um den Fussball
Letzte Woche nun haben die SRG und der Verband Schweizer Medien (VSM) eine Vereinbarung getroffen. Die Liste der Zugeständnisse, die der öffentliche Rundfunk den privaten Medien macht, ist lang. So will die SRG ihre Onlinetextbeiträge künftig auf 2400 Zeichen begrenzen (zum Vergleich: Dieser Beitrag zählt rund 4400 Zeichen). Ausserdem will sie ihre Onlinemarketingmittel zu sechzig Prozent bei den privaten Verlagen investieren. Auch wird sie ihre Streamingtechnologie teilen. Am grössten aber ist das Zugeständnis bei den Sportrechten. Die SRG will sich auf Übertragungen konzentrieren, die von kommerziellen Anbietern nicht abgedeckt werden – und bei der Rechteauswahl Rücksicht auf die Privaten nehmen. Auch sollen Bietergemeinschaften für die Übertragungsrechte gebildet werden können. Die einzig ernsthafte Konkurrentin in diesem Bereich und damit klare Gewinnerin der neuen Ordnung: CH Media.
Präsentiert wurde die Vereinbarung am Swiss Media Forum in Luzern. Die SRG vertrat dabei Generaldirektorin Susanne Wille. Sie kennt die Bedürfnisse im Aargau aus eigener Berufserfahrung, startete sie doch ihre Karriere einst bei Wanners Tele M1. Wie eng die Bekanntschaften sind, zeigt eine weitere Personalie: Stefan Wabel, der als langjähriger Geschäftsführer des VSM an den Verhandlungen beteiligt war, ist Anfang Jahr zu CH Media gewechselt, wo er nun für die strategische Ausrichtung zuständig ist. Aus dem Aargau für den Aargau: Gerne hätte die WOZ mit Stefan Wabel oder mit CEO Michael Wanner darüber gesprochen, wie diese für ihr Verlagshaus massgeschneiderte Lösung zustande kam. Auf die Gesprächsanfrage folgte aber nur eine allgemeine Stellungnahme der Kommunikationsabteilung: Die Vereinbarung zwischen der SRG und den Verlagen sei auf Augenhöhe verhandelt worden und stärke den Medienplatz Schweiz.
Sympathien als Drohung
Eine finanzielle Stärkung dürfte CH Media auf jeden Fall nötig haben. 2023 strich das Unternehmen 140 Stellen, was zu 80 Kündigungen führte. Letztes Jahr folgte die Schliessung der «Today»-Regionalportale mit weiteren 34 Stellen. «Trotz Rückkehr in die Gewinnzone ist der finanzielle Turnaround noch nicht geschafft», heisst es zum letzten Geschäftsjahr. Lange diente die SVP-Halbierungsinitiative CH Media als Druckmittel gegenüber der SRG. Verwaltungsratspräsident Peter Wanner meinte, er werde sie unterstützen, falls es keine weiteren Vorschläge gebe. Nun hat er offensichtlich sein Ziel erreicht. Mit der Vereinbarung haben sich die Mitglieder des VSM bis auf die TX-Gruppe verpflichtet, die SVP-Initiative nicht zu unterstützen. Die CH-Media-Abonnent:innen dürfen gespannt sein, wie sich die SRG-Obsession ihrer Regionalzeitung künftig entwickelt.