Von oben herab: Das ändert sich im neuen Jahr
Stefan Gärtner weiss, was man noch darf

Steuern Die Käsesteuer erhöht sich um fünf Punkte, «Weltwoche» und CDs von Beatrice Egli werden entsprechend teurer. Entwarnung dagegen bei der Sondersteuer für Superreiche, über die «verstärkt nachgedacht wird», so Wirtschaftsminister Guy Parmesan, «allerdings nicht bei uns!» An der Steuerpflicht für Autofahrer und -fahrerinnen wird dagegen nicht gerüttelt, «schon aus Gründen der Verkehrssicherheit» (Albert Rösti, SVP).
Migration In Zukunft soll, wer immer will, in die Schweiz einwandern dürfen, sofern er oder sie über viel Geld und gute Kontakte verfügt. Wer von auswärts (Russland) ins Zuger Steuerparadies zieht, darf künftig nicht mehr als «krimineller Ausländer» bezeichnet werden. Asylsuchende sind willkommen, müssen aber nachweisen, dass sie «für sich, ihre Familie sowie ihre Hausangestellten sorgen können».
Gesundheit Wer die Leitartikel von Roger Köppel in der Pfeife rauchen will, darf dies nicht mehr in geschlossenen Räumen tun. Der Vitamin-C-Gehalt von Rivella Rot muss gut sichtbar auf dem Flaschenboden verzeichnet sein, Alkohol darf nur mehr in handelsüblichen Mengen an Minderjährige abgegeben werden. Vor der Neujahrsansprache der Bundespräsidentin ist ein Warnhinweis verpflichtend («Keine sexuellen Inhalte, keine diskriminierenden Inhalte, eigentlich überhaupt keine Inhalte»).
Kinder und Familie Junge Mütter sollen gefälligst auch im neuen Jahr zu Hause bleiben, denn erstens ist es daheim am schönsten, und zweitens gilt das Schuldprinzip: Wer Kinder kriegt, ist selber schuld. Trotzdem darf der Nachwuchs auch einmal toben und laut sein, und zwar wochentags von 10 bis 11 und 15 bis 16 Uhr, also eine halbe Stunde länger als bisher.
Verkehr Die Züge der SBB sollen wieder pünktlicher fahren: Bei Verspätungen über zwei Minuten haben Fahrgäste das Recht, sich (leise) zu beschweren (z. B. beim Ehepartner), verspätete deutsche Züge dürfen wieder ins Land, aber in ein anderes (Italien). Um das «Leistungsprinzip» (Beat Balzli, «NZZ am Sonntag») zu stärken, haben grosse Autos grundsätzlich Vorfahrt, in kleinen Autos gilt dafür eine Helmpflicht. Grosse Autos dürfen auch auf Rad- und Fusswegen parken, «denn die brauchen halt auch mehr Platz. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit», so abermals A. Rösti.
Digitale Bildung Jedes Schweizer Kind hat ab sofort das Recht, sich durch digitale Endgeräte von früh bis spät um den Verstand bringen zu lassen. Die Grenze für den empfohlenen Besitz eines Smartphones sinkt auf sieben Jahre (Schuleintritt), Unterrichtsbeiträge dürfen per Messenger an das Lehrpersonal übermittelt werden. Aus-dem-Fenster-Träumen wird künftig mit einer Extrastunde Tiktok geahndet.
Natur und Tourismus Der Schneekanoneneinsatz wird strenger geregelt und darf nur mehr bei zu wenig Schnee erfolgen. Die Ausweisung eines neuen Skigebiets bedarf der Zustimmung aller, die von ihm profitieren. Der Preis eines Skitagespasses darf das wöchentliche Schweizer Durchschnittseinkommen nur in begründeten Ausnahmefällen übersteigen. Eine Pflicht, sich die zerstörten Hänge im Sommer anzusehen, besteht weiterhin nicht.
Inflation und Einkommen Endlich führt auch die Schweiz die Lohn-Preis-Spirale ein: Je höher die Preise, desto weniger lohnt das Arbeiten. Der Mindestlohn für Gutverdienende muss den Mindestlohn der anderen um mindestens den Faktor fünf übersteigen, während der Mindestlohn für Mütter, die zu Hause bleiben, weil es da am schönsten ist und für das Kind auch besser so, verdoppelt wird und nun in zwei Kinderlachen besteht. Toll!
Ruedi Widmer Der sympathische Cartoonist und Kolumnenstar («Von oben herab») wird im neuen Jahr 51. Wir gratulieren herzlich!
Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.
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