«Jimmy’s Hall» von Ken Loach: Was ist gefährlicher als Jazz?

Nr. 34 –

Irland, 1932. Ein Gespenst geht um im Kaff Effrinagh: Seit der Auswanderer Jimmy Gralton (Barry Ward) wieder daheim ist, entdecken die Leute in der Gegend ihre Freude am Jazz. Die Wirtschaftskrise in New York hat den verlorenen Sohn zurück in die Heimat getrieben. Jetzt drängt ihn die Dorfjugend, das Tanzhaus wieder zu eröffnen, das seit seinem Weggang verlotterte. Jimmy lässt sich erweichen, und bald wird in der Bude getanzt, dass es dem Pfarrer (Jim Norton) ein Graus ist. In seiner Predigt denunziert er dann alle, die sich im Tanzhaus verlustiert haben, und stellt die Gemeinde vor die Wahl: Christus oder Gralton.

Man würde ja denken: Ein Volk, das tanzt, lehnt sich nicht gegen die Obrigkeiten auf. Aber es geht eben noch ein anderes Gespenst um in Effrinagh, eines, das für die katholische Kirche viel gefährlicher ist als das sündige Vergnügen des Jazz: Gralton ist Kommunist. Und weil in seinem Tanzhaus bald auch Volkskurse stattfinden, sieht die Kirche ihr Bildungsmonopol bedroht. Die Leute könnten ja plötzlich lernen, selbst zu denken. Um den lästigen Freidenker loszuwerden, greifen die Behörden auf einen ungeheuerlichen Trick zurück: Sie lassen Gralton als «illegalen Einwanderer» ausschaffen.

Vor acht Jahren, in «The Wind that Shakes the Barley», schickte Ken Loach einen jungen Arzt in den irischen Unabhängigkeitskrieg. Jetzt, in «Jimmy’s Hall», ist der Klassenkämpfer des britischen Kinos zurück in der jungen Republik, um dem Kommunistenführer James Gralton (1886–1945) ein Denkmal zu setzen. Das Drehbuch seines Stammautors Paul Laverty hangelt sich dabei nicht einfach Graltons bewegter Biografie entlang, sondern verdichtet dessen Leben rund um den symbolischen Ort der Tanzbude, die als umkämpfter Freiraum erscheint, wo das Volk sich vom Zugriff der Kirche zu emanzipieren hofft. «Jimmy’s Hall» ist ein historisches Drama über den Widerstand: etwas schematisch gezeichnet, aber so aufrecht, wie man das von Ken Loach nicht anders erwartet.

«Jimmy’s Hall». Regie: Ken Loach. Britannien 2014