Kommentar: Elmer-Prozess: Zufrieden ist niemand

Nr. 4 –

Die kafkaesk anmutende Justizgeschichte um den Whistleblower Rudolf Elmer ist um ein Kapitel reicher. Das Zürcher Bezirksgericht sprach den ehemaligen Manager der Privatbank Julius Bär, der auf den Cayman Islands tätig war, am Montag schuldig, das Bankgeheimnis verletzt zu haben, als er 2008 vertrauliche Kundendaten an die Enthüllungsplattform Wikileaks lieferte. Ausserdem habe sich Elmer der Urkundenfälschung schuldig gemacht: Er habe in einem fingierten Brief an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Urkunde der Bank Julius Bär gefälscht. Das Gericht verurteilte Rudolf Elmer zu einer bedingten Geldstrafe von 300 Tagessätzen à 150 Franken.

Das Urteil erweckt den Eindruck, der Richter habe die seit Jahren ermittelnde Staatsanwaltschaft nicht ganz blossstellen wollen. Diese hatte nämlich eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren sowie ein Berufsverbot gefordert. Eine Rolle spielte sicherlich auch der steuerpolitische Hintergrund, den die Nachrichtenagentur Reuters wie folgt beschrieb: «Der Prozess findet statt, während das Bankgeheimnis in der Schweiz bröckelt unter dem internationalen Druck von Ländern, die versuchen, ihre Steuerverluste wieder hereinzubekommen.»

Entsprechend war am Montag keine Partei zufrieden. Elmers Anwältin hat unmittelbar nach dem Prozess angekündigt, den Fall an die nächsthöhere Instanz weiterzuziehen. Die Justizgeschichte wird also fortgesetzt.

Das wiederum wird die dritte Partei in diesem Prozess, die Bank Julius Bär, kaum freuen. Die Berichterstattung um den Elmer-Prozess ist international, neben Reuters war beispielsweise auch ein Journalist vom «Wall Street Journal» anwesend. Die Finanzbranche verfolgt den Fall sehr genau, es ist schliesslich auch eine Verhandlung über den Zustand des Schweizer Bankgeheimnisses. Das ist nicht die Art von PR, die sich eine Privatbank wünscht. Immerhin: Auf Anfrage der WOZ, ob die Berichterstattung einen Einfluss auf den Aktienkurs habe, antwortete die Bank Julius Bär knapp mit einem «Nein».