Kommentar von Susan Boos: Recht auf Strahlendaten

Nr. 23 –

Marco Bähler erstritt die Veröffentlichung von Ensi-Reglementen. Das Bundesverwaltungsgericht gibt ihm nun auf ungewöhnliche Weise recht.

Wäre es ein Boxkampf gewesen: Marco Bähler stünde als strahlender Sieger im Ring. Er hat den Gegner nicht k. o. geschlagen, aber ihn eindeutig nach Punkten bezwungen. Für Aussenstehende klingt der Sieg unspektakulär: Das Bundesverwaltungsgericht publizierte am vergangenen Freitag in der Sache Bähler versus Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) einen Abschreibungsentscheid. Solche Entscheide sind normalerweise langweilig, weil der Fall ja eben gerade nicht verhandelt wird und es kein Urteil gibt. Ungewöhnlich ist, dass der Entscheid überhaupt veröffentlicht wurde. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht ein deutliches Zeichen gesetzt: Wäre es wirklich zur Verhandlung gekommen, hätte das Ensi mit einer Niederlage rechnen müssen.

Die Geschichte begann vor drei Jahren. Bähler wollte wissen, wie viel Radioaktivität während der Revision 2012 offiziell über den Abluftkamin des AKWs Mühleberg entwich (siehe WOZ Nr. 18/2014 ). Alle AKW-Betreiber erfassen diese Daten im Rhythmus von zehn Minuten und übermitteln sie ans Ensi. Das Ensi schrieb Bähler, es dürfe ihm diese Daten nicht geben, weil die Betreiber sie ihm freiwillig aushändigten. Abgesehen davon würde es die Daten nach dreissig Tagen löschen.

Marco Bähler konnte es nicht fassen. Er verlangte die gesetzliche Grundlage für diese Praxis. Er bekam einen Teil der Unterlagen, doch waren sie so eingeschwärzt, dass man nichts lesen konnte. Damit begann ein langwieriges Hin und Her. Als Institution des Bundes untersteht das Ensi dem Öffentlichkeitsgesetz und muss grundsätzlich alle Dokumente zugänglich machen, die nicht explizit Geschäftsgeheimnisse oder Informationen enthalten, die für terroristische Anschläge benutzt werden könnten.

Bähler wandte sich mit seinem Anliegen an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), der in solchen Fällen schlichtet. Der EDÖB gab Bähler recht und befand, die Daten und Dokumente, die er wünschte, seien von öffentlichem Interesse. Das Ensi solle sie herausrücken.

Der EDÖB ist aber kein Richter, er kann nur empfehlen und hat keine Macht, etwas durchzusetzen. Das Ensi ignorierte denn auch die Empfehlungen. Also blieb Bähler vor gut einem Jahr nur noch der Weg ans Bundesverwaltungsgericht. Und siehe da: Plötzlich ging es. Das Ensi forderte die Daten nochmals bei den Betreibern ein und machte sie öffentlich, zudem übergab es Bähler die verlangten Reglemente ohne exzessive Einschwärzungen. Die Ironie dabei: Das Ensi hatte von Bähler 1750 Franken verlangt, weil das Einschwärzen so viel Arbeit gemacht habe. Es gab ihm das Geld aber nicht zurück, nachdem er durchgesetzt hatte, dass sie ihm ein uneingeschwärztes Exemplar schicken mussten. Das Öffentlichkeitsgesetz ist also nur für Leute, die bereit sind, Geld zu verbrennen.

Das Bundesverwaltungsgericht kam jetzt zum Schluss, Bähler habe inzwischen alles bekommen, was er verlangt hatte – womit die Sache erledigt sei.

Doch weil das Ensi den juristischen Trubel verursachte, muss es Bähler eine Parteientschädigung von 10 000 Franken zahlen. Immerhin, könnte man sagen. Das Geld deckt aber nur einen Teil der Anwaltskosten. Insgesamt, schätzt Bähler, hat die Geschichte sicher mehr als das Doppelte gekostet.

Bähler freut sich über den Entscheid, zufrieden ist er nicht. Die verlangten Daten hat er bekommen, doch dauerte es Monate. Auch habe das Ensi geschickt verhindert, dass es zu einem verbindlichen Urteil kommt.

Bähler wünscht, dass alle Emmissionsdaten in Echtzeit online gestellt werden. Wenn keine Radioaktivität nach aussen dringt, wie Betreiber und Ensi versichern, könnten sie Bählers Wunsch getrost nachkommen.

Bis das geschieht, gibt es die Website alarm.oeko-gruppe-laupen.ch . Ihre BetreiberInnen werten die Daten der Maduk-Sonden aus, die um die AKWs stehen und einen Teil der radioaktiven Abgaben messen. Der Alarmdienst schickt nach Wunsch ein SMS oder ein Mail, sobald ein bestimmter Radioaktivitätswert – den man individuell festlegen kann – überschritten wird.