Angriff aufs Arbeitsgesetz: Flexibilisierung von oben

Nr. 18 –

Fast zeitgleich haben die StänderätInnen Karin Keller-Sutter (FDP, SG) und Konrad Graber (CVP, LU) im März 2016 parlamentarische Initiativen eingereicht, um die Regelungen zur Arbeitszeiterfassung von Angestellten zu lockern – etwa indem diese für «FachspezialistInnen» und «leitende Angestellte» gänzlich aufgehoben würden (Keller-Sutter) oder indem Jahresarbeitszeitmodelle an die Stelle von Wochenarbeitszeiten treten dürften (Graber). Die Flexibilisierung sei nötig, so Keller-Sutter, weil das geltende Arbeitsgesetz «geprägt vom Fabrikzeitalter» und angesichts moderner Kommunikationsmöglichkeiten «nicht mehr zeitgemäss» sei.

Dagegen klingen die Vorschläge für eine «Flexibilisierung» natürlich modern und dynamisch. Ganz anders als die archaische Stempeluhr, die jetzt wieder durch die Medien geistert. Als handle es sich bei der geregelten Arbeitszeiterfassung um eine staatsbürokratische Bürde für Angestellte, von der uns die InitiantInnen befreien wollten. Quasi durch eine Flexibilisierung von unten.

Dabei geht es bei den Regelungen primär um deren Schutz. Erst Anfang 2016 trat eine Verordnung des Bundesrats in Kraft, die unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen bei der Arbeitszeiterfassung erlaubt. Nun blasen die beiden gewerkschaftlichen Dachverbände, der Gewerkschaftsbund (SGB) und Travail Suisse, zum Widerstand: Bei den beiden neuen Vorstössen handle es sich um den «grössten Angriff auf das Arbeitsgesetz», den es je gegeben habe, sagte SGB-Präsident Paul Rechsteiner am Dienstag in Bern. Die Gewerkschaften haben durchschlagende Argumente: Gemäss einer Berechnung der NZZ würden geregelte Arbeitszeiten für mindestens 500 000 Lohnabhängige wegfallen. Denn enorm viele arbeiten in leitenden Funktionen; «FachspezialistIn» ist zudem ein dehnbarer Begriff.

Die gewerkschaftliche Kritik ist richtig und wichtig. Aber die Absender sind selbst nicht über jede Kritik erhaben. Die Unia etwa, grösste Gewerkschaft des Landes und dem SGB angeschlossen, teilte Dutzende Angestellte Anfang 2016 kurzerhand einer neu geschaffenen Kaderkategorie zu, ohne ihnen mehr Kompetenzen zu geben: Dank dieses Kniffs sind sie von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen.

Richtigstellung

Im Artikel «Flexibilisierung von oben» berichtete die WOZ letzte Woche über den gewerkschaftlichen Widerstand gegen die bürgerlichen Angriffe auf das Arbeitsgesetz (Arbeitszeiterfassung). Dabei wurde behauptet, die gewerkschaftliche Kritik sei nicht über jeden Zweifel erhaben, da die Unia mit Kniffs Dutzende Angestellte über eine neu geschaffene Kaderkategorie von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen habe. Diese Darstellung ist falsch und irreführend. Fakt ist, dass auch bei der Unia alle Angestellten ihre Arbeitszeit erfassen. Davon ausgenommen sind lediglich die Mitglieder der nationalen und regionalen Geschäftsleitungen.

Geschäftsleitung Unia, Bern