Saubere Subventionen: Eine Bürgerin reisst eine Revolution an

Nr. 41 –

Franziska Herren fordert sauberes Trinkwasser für alle. Ihre Volksinitiative kommt wohl beinahe in Rekordtempo zustande. Das Porträt einer Frau, die nichts weniger will als die Schweizer Landwirtschaft auf den Kopf stellen.

«Wenn man von Anfang an nur über Erfolgschancen nachdenkt, kann man sich nicht engagieren»: Franziska Herren auf dem Münsterhof in Zürich.

Etwa zwei Dutzend ZuhörerInnen sitzen in den säuberlich aufgereihten Stuhlreihen. Franziska Herren, fünfzig Jahre alt, dunkle Haare und auffallend hellblaue Augen, geht vor dem Publikum auf und ab. In knappen, fast druckreifen Sätzen erklärt sie das Anliegen der von ihr gestarteten Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz».

Franziska Herren spricht von überdüngten Wiesen und Feldern, von Massentierhaltung, Futtermittelimporten und Food Waste. «Das alles bezahlen wir mit unserem Geld», wiederholt sie immer wieder. «Und damit sind ich und viele andere Menschen nicht mehr einverstanden.» Zustimmung aus dem Publikum. Es ist ein Vortrag für Gleichgesinnte, mitten im Zürcher Niederdorf. Den Abend organisiert hat die Kleinpartei Integrale Politik Schweiz, die sich unter anderem für Umwelt- und Klimaschutz engagiert. Wie den ZuschauerInnen an diesem Abend geht es vielen anderen Menschen: 89 000 Unterschriften haben Franziska Herren und ihr Verein Sauberes Trinkwasser für alle in den vergangenen sieben Monaten bereits gesammelt. Seit kurzem unterstützen auch Greenpeace und Pro Natura die Initiative. «Zu Beginn witzelten wir, dass wir die Initiative Ende Jahr einreichen werden», sagt Franziska Herren. «Nun sieht es tatsächlich danach aus.»

Der typische Flickenteppich

Zu Besuch in Wiedlisbach, Oberaargau im Kanton Bern. Hier führt Franziska Herren ein Fitnessstudio. «Derzeit bin ich wegen der Initiative nicht viel im Geschäft anzutreffen», sagt die zweifache Mutter und ehemalige Flight Attendant. Vom Haus geht der Blick hinaus auf ein typisches Stück Schweizer Mittelland: ein Flickenteppich aus Äckern, Feldern und Wiesen. Genau diese Art von intensiver Landwirtschaft ist Franziska Herren ein Dorn im Auge: «Mich entsetzt der Umgang, den wir mit der Natur haben. Mein Ziel ist, dass wir unseren Planeten in einem besseren Zustand hinterlassen, als wir ihn angetroffen haben.»

Mit der Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» will sie denn auch nichts Geringeres als die Schweizer Landwirtschaft umkrempeln. Konkret sollen die landwirtschaftlichen Direktzahlungen anders verteilt werden. Herren spricht von einer «Umpolung» des Geldes. Subventioniert werden sollen nur noch Landwirtschaftsbetriebe, die keine Pestizide einsetzen und ihren Tieren nicht schon vorbeugend Antibiotika verfüttern. Ausserdem soll jede Bäuerin und jeder Bauer nur noch so viele Tiere halten dürfen, wie sie oder er vom eigenen Land und ohne importiertes Futter ernähren kann. «Wir müssen anfangen umzudenken, eine ökologische Landwirtschaft muss in Zukunft der Normalfall sein», sagt Franziska Herren.

Ein Anliegen, das Herren und ihre MitstreiterInnen den Menschen auf der Strasse einfach nahebringen können. Sauberes Trinkwasser ist dafür ein geschickter Aufhänger. Herren sagt: «Landwirtschaft und Wasser lässt sich nicht trennen. Und um unser Trinkwasser mache ich mir grosse Sorgen, wenn die Landwirtschaft so weitermacht.»

Das Dilemma der Linken

Doch warum hat sie keinerlei Unterstützung seitens der Parteien? «Alle, die ich im Parlament angesprochen habe, gaben mir dieselbe Antwort», sagt sie. «‹Melden Sie sich wieder, wenn die Initiative steht.›»

In der Politik ist Franziska Herren keine Unbekannte. Bereits vor einigen Jahren sammelte sie, gemeinsam mit ihrem Mitstreiter Walter Kummer, Unterschriften. Damals für die kantonale Initiative «Mühleberg vom Netz». Die beiden wollten das AKW Mühleberg sofort abstellen lassen. 2014 kam die Initiative in Bern an die Urne. Herren und Kummer hatten sie auch dann nicht zurückgezogen, als die Mühleberg-Betreiber entschieden, das Werk 2019 abzuschalten. Die Abstimmung ging deutlich verloren. Die Parteien hätten sie im Vorfeld gedrängt, die Initiative zurückzuziehen, sagte Walter Kummer damals in einem Interview. Auch die Anti-AKW-Bewegung hätte es lieber gesehen, wenn die «Mühleberg vom Netz»-Initiative nicht zur Abstimmung gekommen wäre. Zu oft schon waren sie an der Urne gescheitert, und jedes Mal bedeutete dies indirekt eine Stärkung der AKW-Betreiber.

Gut möglich, dass die Initiative «Für sauberes Trinkwasser» die linken und grünen Parteien in ein ähnliches Dilemma bringen wird. Sie können gar nicht gegen das Anliegen sein und müssten sich nach dem Zustandekommen entsprechend positionieren. Das bedeutet: viel Geld aus dem Parteibudget in eine Kampagne investieren für ein Anliegen, das wohl viel zu umfassend ist, um eine Chance auf Annahme zu haben. «Wenn man von Anfang an nur über Erfolgschancen nachdenkt, kann man sich nicht engagieren», sagt Herren. Sie wolle in erster Linie eine Diskussion darüber, wie eine alternative, ökologische Landwirtschaft überhaupt aussehen könnte, «jenseits von Parteiinteressen und politischen Abhängigkeiten». Die Leute auf der Strasse hielten es ihr denn auch eher zugute, dass sie als ganz normale Bürgerin ohne Partei im Rücken Unterschriften sammle.

Doch Franziska Herren weiss auch: «Wenn die Initiative zustande kommt, geht es erst richtig los.» Dann wird sich zeigen, ob Herrens Ideen für die zukünftige Landwirtschaft die harsche politische Realität überleben – oder vor allem gut gemeint sind.