Literatur: Suizidberatung im Jahr 2025

Nr. 47 –

Angenommen, bei der deutschen Bundestagswahl 2017 wäre eine rechtspopulistische Partei an die Macht gekommen und würde mit einem «Effizienzpaket» nach dem andern die Demokratie aushöhlen. Angenommen, acht Jahre später würde eine terroristische Gruppe einen Putsch gegen diese Regierung planen – würden demokratisch gesinnte BürgerInnen versuchen, diesen zu verhindern, oder ihn mit Genugtuung geschehen lassen?

Diese Frage stellt Juli Zeh in ihrem neuen Roman «Leere Herzen». Er spielt im Jahr 2025, viele Deutsche haben sich von der Politik abgewandt und sind froh, wenn sie sich im Privatleben komfortabel einrichten können. So auch Britta Söldner, die allerdings einen ungewöhnlichen Beruf hat: Sie führt eine Suizidberatung. Wen sie mit speziellen, teils drastischen Methoden nicht vom Selbstmord abbringen kann, den vermittelt sie als Attentäter an Organisationen, die einen Märtyrer brauchen für eine spektakuläre Aktion. Das können Tierschützer sein, Umweltaktivistinnen oder politische Gruppen. Terrordienstleistung heisst das lukrative Geschäft, in das sich jedoch plötzlich eine undurchsichtige Konkurrenz einmischt.

Juli Zeh ist eine Autorin, die gerne Versuchsanordnungen bastelt und den Figuren dabei zusieht, wie sie langsam durchdrehen. So auch in ihrem erfolgreichen Roman «Unterleuten», wo sie die DorfbewohnerInnen wie Spielfiguren gegeneinander in Stellung bringt. Aber während dort die Spannung über mehrere Hundert Seiten trägt, ist in «Leere Herzen» die Handlung streckenweise verwirrend. Vor allem aber leidet der Roman an der mangelnden Glaubwürdigkeit der Hauptfigur. Es fällt schwer, dieser toughen Frau, für die das perfekte Funktionieren über aller Moral steht, ihre Ängste abzunehmen, ihre liebevolle Sorge um ihr Kind, ihre Sensibilität.

Oder ist das die eigentliche Schreckensvision: die «starke Frau» von 2025? Widersprüchlich und gemeingefährlich, bis sie sich – noch eine überraschende Wendung – auf ihr Herz und ihre demokratischen Tugenden besinnt?

Juli Zeh: Leere Herzen. Roman. Luchterhand Literaturverlag. München 2017. 352 Seiten. 27 Franken