Medienpolitik: Missglückte Rettung

Nr. 15 –

Simonetta Sommaruga wollte die Medien in der Coronakrise mit 78 Millionen Franken stützen. Doch sie lief damit letzte Woche im Bundesrat auf. Der WOZ liegen die Details des Rettungsplans vor.

Verärgerte den Bundesrat: Pietro Supino, Präsident der TX Group, hält trotz Kurzarbeit an Dividenden für den Familienclan fest. Foto: Georgios Kefalas, Keystone

Die Medienmitteilung war bereits ausformuliert: «Die Coronapandemie trifft auch die Medien hart. Die Werbeeinnahmen sind drastisch gesunken. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die demokratische Debatte hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 1. April 2020 entschieden, die Medien mit 78 Millionen Franken zu unterstützen.» Zwei Notverordnungen waren durchformuliert. Am 2. April um 00.00 Uhr sollten sie gemäss ihren Schlussartikeln in Kraft treten.

Aus den Dokumenten, die der WOZ vorliegen und deren Inhalt selbst die grossen Verlage nicht kannten, lässt sich der Rettungsplan im Detail nachzeichnen. Demnach hätten die Tages- und Sonntagszeitungen am meisten profitiert. Für drei Monate sollte die indirekte Presseförderung ausgebaut werden. Mit 37 Millionen Franken hätte der Bund die Posttarife übernommen und sich an der Frühzustellung beteiligt. Die Privatradios hätten mehr Subventionen erhalten, von FM 1 im Osten bis zu Lausanne FM im Westen. 13,2 Millionen waren dafür vorgesehen. Die nichtgewinnorientierten Radios wie das Zürcher Lora oder das Berner Rabe wären mit je 133 000 Franken beteiligt worden. Für die regionalen Fernsehsender waren 10,8 Millionen vorgesehen, von TeleBasel bis zu TeleTicino.

Und schliesslich sollte die Liquidität der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit zehn Millionen garantiert werden. Der Bund hätte die SDA-Abos aller Medien für sechs Monate übernommen. Kein Geld war für reine Onlineportale vorgesehen. Hätte, wäre, sollte. Am Ende konnte Bundespräsidentin Simonetta Sommuraga die Verordnungen nicht unterschreiben. Eine deutliche Mehrheit im Bundesrat war dagegen.

Wanner: «Verheerender Entscheid»

Dem Vernehmen nach bestand das Hauptargument der Bürgerlichen darin, dass der Bund in der Coronakrise keine einzelnen Branchen unterstützen sollte, sondern für alle Betriebe die wirtschaftliche Soforthilfe mit Kurzarbeit und Bürgschaften gelte. Das Bewusstsein, dass die Medien gerade in der Krise für die Demokratie eine besondere Rolle spielen, war nicht bei allen Regierungsmitgliedern ausgeprägt. Für Verärgerung bei einzelnen BundesrätInnen sorgte zudem die TX Group mit Verwaltungsratspräsident Pietro Supino. Diese führte für ihre Redaktionen Kurzarbeit ein, hielt aber an der Auszahlung von Dividenden in der Höhe von 37,1 Millionen für 2019 fest. Die Gewerkschaft Syndicom hatte die Verlegerfamilie Coninx zum Verzicht aufgefordert. An der Generalversammlung vergangene Woche bestätigten die AktionärInnen jedoch die Auszahlung. Erst für das laufende Geschäftsjahr will Supino allenfalls auf Dividenden verzichten. Auch die NZZ will an ihrer Generalversammlung Mitte April an der Dividendenauszahlung festhalten.

In Bedrängnis geraten mit der Ablehnung des Rettungspakets vor allem die Lokalzeitungen und womöglich die mittelgrossen Medienhäuser. Peter Wanner, Verleger der AZ Medien und von CH Media, sagt auf Anfrage: «78 Millionen für die Branche, das würde uns schon sehr helfen.» Den Entscheid des Bundesrats betrachtet er als «verheerend für die Medien». Die Krise treffe zuerst die Kleinverlage und könne zu einer «totalen Marktbereinigung» führen, bei der am Ende noch drei oder vier Grosse übrig blieben.

In diese Richtung geht auch die Einschätzung von Andrea Masüger, Verwaltungsratspräsident der Bündner Somedia. «Der massive Inserateeinbruch wird zuerst den kleinen Verlagen das Genick brechen, wenn der Bund nicht hilft. Ihr Inserateanteil liegt oft bei über fünfzig Prozent.» Der Bundesrat habe den Ernst der Lage nicht erkannt und verkenne die zentrale Bedeutung der Medien für die Demokratie. «Medien sind nicht mit Gartenbaumärkten zu vergleichen, wie das offenbar ein Bundesrat getan hat.»

Spaltung im Verband?

Peter Wanner lässt durchblicken, dass Dividendenauszahlungen derzeit ein falsches Signal aussenden würden. Seine Mediengruppe hat die vorgesehenen Dividenden in ein Darlehen umgewandelt, um die Liquidität des Unternehmens zu sichern. «Im Moment wird kein Geld ans Aktionariat verteilt, weder bei CH Media, wo die NZZ dies als Miteigentümerin unterstützt hat, noch bei den AZ Medien. Er habe darauf gehofft, dass auch die TX Group und die NZZ zum jetzigen Zeitpunkt keine Dividenden auszahlen würden. Allerdings müsse man berücksichtigen, dass der Zeitraum für eine Revision der Entscheidung sehr kurz gewesen sei.

Den Verlagen bleibt jetzt nur noch die Hoffnung, dass die Medienförderung, wie von Sommaruga ursprünglich geplant, auf dem ordentlichen Weg ausgebaut wird. Die Massnahmen gehen in eine ähnliche Richtung wie das Rettungspaket, bloss wären sie dauerhaft. Nach der Ablehnung der Nothilfe drängt die Zeit noch mehr, dass die Botschaft noch vor dem Sommer ins Parlament kommt. Der Entscheid des Bundesrats zeigt aber auch: Die Förderung von Medienkonzernen wie der TX-Gruppe oder Ringier, die bisher satte Gewinne erzielen, wird politisch schwierig. Damit stellt sich die Frage, wie lange die kleinen und mittleren Verlage ihrem Verbandspräsidenten Pietro Supino noch folgen wollen: Seine Shareholdervalue-Strategie mag ihm und den Coninx-ErbInnen nützen – dem politischen Goodwill für alle anderen schadet sie offensichtlich.

Die WOZ hätte eigenen Berechnungen zufolge mit rund 55 000 Franken vom Plan profitiert.