Generationengespräch: «Irgendwo eine Schwäche? Draufgehauen, bis es blutet!»

Nr. 22 –

Hatte die Bewegung ein Frauenproblem? Und ist die Klimajugend heute zu brav und vernünftig? Anja Nora Schulthess hat als Kind der Achtziger ein Buch über die Generation ihrer Eltern geschrieben – hier spricht sie mit Zeitzeugin Suzanne Zahnd über 1980 und die Folgen.

«Wir waren frech. Wir haben uns einfach nicht einschüchtern lassen»: Am Bellevue in Zürich, 24. Dezember 1981. Foto: Gertrud Vogler, Schweizerisches Sozialarchiv; Fotomontage: Florian Bachmann

WOZ: Anja Nora Schulthess, für Ihr Buch «Müllern, Spotten, Brechen!» über die Untergrundzeitungen «Eisbrecher» und «Brächise» haben Sie 23 Interviews mit Zeitzeugen geführt – nur eines davon mit einer Frau. Ist das irgendwie symptomatisch?
Anja Nora Schulthess: Es gab noch eine weitere Frau, die ich zu ihrer Mitarbeit am «Eisbrecher» befragen konnte. Sie wollte aber im Buch nicht namentlich erwähnt werden. Von den wenigen Frauen, die an beiden Zeitungen beteiligt waren, konnte ich fast keine ausfindig machen, die gesagt hätte, sie sei damals dabei gewesen. Das ist sicher symptomatisch.

Suzanne Zahnd: Das sehe ich auch so. In den ganz frühen achtziger Jahren haben die Frauen erst so richtig angefangen, sich zu ermächtigen. Nicht nur die Bewegungszeitungen waren damals reine Mackerangelegenheiten.

Schulthess: Interessant war auch, wie diese eine Frau, die ich gefunden habe, über ihre Mitarbeit beim «Eisbrecher» gesprochen hat: Sie habe selber nicht geschrieben, sie habe einfach etwas «gebastelt». Sie habe geholfen, mal etwas zu kleben oder zu kopieren.

Zahnd: Dabei haben die Männer damals auch eher gebastelt.

Schulthess: Das Spektrum bei diesen Zeitungen war ja auch riesig. Das reichte von hochstehenden Artikeln bis zu sehr dilettantischen Sachen, journalistisch wie gestalterisch. Aber kein Mann würde sagen, er habe einfach ein bisschen «gebastelt». Es gab damals auch mindestens zwei Frauenzeitschriften aus jener Szene, «Lavabo» und «Prüdographie». Aber auch in der Archivierung, etwa im Zürcher Sozialarchiv, findet man diese nicht in der Abteilung zur Achtzigerbewegung, sondern gesondert bei den Frauen.

Hatte die Bewegung insgesamt ein Frauenproblem?
Schulthess: Es ist sicher eine Tatsache, dass die Frauen damals viel weniger im Vordergrund standen. Bei den Vollversammlungen gab es ja auch immer Diskussionen darüber, dass ständig nur Männer an den Mikrofonen waren. Heute reden die Leute ganz unterschiedlich darüber. Da gibt es immer noch solche, die sagen, das stimme zwar, aber die Frauen hätten damals gar nicht ans Mikrofon gewollt.

Zahnd: Das mag ich nicht mehr hören! Wobei ich sagen muss: Beim Opernhauskrawall war ich selber gar noch nicht dabei, ich kam erst später dazu.

Wo waren Sie denn, als Zürich brannte?
Zahnd: 1980 war ich in New York. Zurück in der Schweiz ist mir gleich aufgefallen, dass die Frauen hier viel weniger zu sagen hatten. Ich wollte halt Popmusikerin werden und bin erst in den achtziger Jahren politisiert worden. Aber Feministin war ich natürlich schon! Und die Typen damals in Zürich waren teils nicht zum Aushalten – weil sie sich immer so wichtig machten und alles bestimmten. Ich konnte mich darum foutieren: Ich hatte meine Frauenband und konnte machen, was ich wollte. Aber über Freundinnen habe ich schon mitbekommen, wie wenig sie zu sagen hatten. In der Musik und in der Kunst war es sicher einfacher für Frauen als in der Politszene mit den neunmalklugen Guys, die alles besser wussten.

Männlich geprägt, dazu sehr heterosexuell und vom Elternhaus her mehrheitlich dem schweizerischen Mittelstand zuzurechnen: Stimmt es, dass die Bewegung ein ziemlich homogener Haufen war?
Zahnd: Das stimmt, aber nur für die Häuptlinge. Halt so eine umgekehrte Spiessigkeit, die letztlich auch wieder spiessig ist. Das kann ja schnell kippen, wenn man sich so angestrengt unspiessig verhält. Ich habe mich nie so richtig daheim gefühlt.

Schulthess: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bewegung so homogen war. Nur schon, was die Generationen angeht: Beim «Eisbrecher» etwa waren die meisten um die 25 Jahre alt, manche sogar schon gegen 30. Das sind ganz andere Leute als die 15- oder 16-Jährigen, die dann ins AJZ kamen – das war eigentlich schon wieder eine andere Generation. Es ist doch immer die Frage: Was bleibt übrig in den Erzählungen? Da sind natürlich bestimmte Filme wie «Züri brännt», die alle kennen, oder eben auch diese Zeitungen. Aber vieles, was Teil der Geschichte war, ist auch untergegangen. Im AJZ hingen viele Drögeler herum, da kann man sich auch fragen, ob die nun zur Bewegung gehörten oder nicht. Im Nachhinein waren es vor allem die Leute mit den kreativen Aktionen, wie «Herr und Frau Müller», die präsent geblieben sind.

Zahnd: Eigentlich ist es eh komisch, dass das immer an Zürich aufgehängt wird. Die «Kulturleichen» gab es damals ja überall. Du konntest in jede Stadt der Welt gehen, und überall trafst du solche wie dich: Das waren die jungen Menschen, die zu Tode gelangweilt waren, weil es nichts für sie gab. Als Jugendliche hattest du damals einfach keine Stimme. Diese Selbstermächtigung, vor allem via Musik oder Blödtun in irgendeiner Form: Das betraf alle. Der Opernhauskrawall in Zürich ist nur ein Puzzleteil im Bild einer Generation, die einfach mehr Freiheiten für sich reklamiert hat – und die vor allem nicht so leben wollte, wie es ihr die Eltern, die Nachkriegsgeneration, aufzuzwingen versuchten.

Anja Schulthess, Sie sind ja ein Kind jener Unruhen: Ihre Mutter ist 1980 aus Rom zurückgekehrt, als sie in der NZZ über den Opernhauskrawall las; in der Bewegung hat sie dann Ihren Vater kennengelernt. Sie selber haben sich jüngst in der «Fabrikzeitung» einen «Opernhauskrawall 2.0» erträumt. Wie stark identifizieren Sie sich mit jener Generation?
Schulthess: Das hat zwei Seiten. Einerseits hege ich natürlich Sympathien für diese Bewegung und, auch wenn das vielleicht komisch klingt: eine Art Nostalgie. Ich habe nie so etwas erlebt. Ich wäre gerne bei einer solchen Bewegung dabei gewesen.

Zahnd: Just do it. Es hindert dich niemand daran.

Schulthess: Ich sympathisiere jetzt mit der Klimabewegung, aber in meiner Generation ist nie etwas Vergleichbares passiert, wo ich mich als Teil davon fühlte – auch nicht musikalisch. Andererseits klingt vieles, was ich von meinen Eltern mitbekommen habe, etwas verherrlichend. Wenn ich genauer hinschaue, muss ich auch oft sagen: Ganz so toll war das wohl auch wieder nicht.

Zahnd: Dieses Wir-Gefühl, das jetzt in den Nacherzählungen über die Bewegung gerne so betont wird: Das war ein kurzer Moment, das ist schnell zerfleddert – vor allem in Zürich. Und viele der späteren Splittergruppen haben stark über Ausschluss funktioniert, es gab viel Neid und Missgunst.

Im Buch von Anja Schulthess sagt einer der Bewegten, ihm sei von damals vor allem ein gewisser Umgang mit den Menschen geblieben: «Wer Teil der Bewegung war, verhält sich anders. Ich würde sagen: empathischer.»
Zahnd: Oh, wow.

Die Bewegung als Empathieschule? Würden Sie das unterschreiben?
Zahnd: Jein. In meiner Gang hat man sehr gut füreinander geschaut – und tut das bis heute. Meine engsten Freunde aus jener Zeit sind immer noch enge Freunde, ausser die, die schon gestorben sind, das sind ja nicht wenige. Aber insgesamt gabs viel Hickhack innerhalb der Szene. Irgendwo ein Fehler, eine Schwäche? Draufgehauen, bis es blutet! Und alles oft hintenrum. Aus dem Kaff im Aargau, wo ich aufgewachsen bin, bin ich ja genau deshalb weggegangen, um diese soziale Kontrolle und den Klatsch loszuwerden – und dann war es in Zürich genau das Gleiche.

Schulthess: Die Leute, mit denen ich für mein Buch sprechen konnte, sind ja solche, die gerne von jener Zeit erzählen und es lässig finden, dass ich etwas über die Bewegung mache. Es gibt aber auch viele, die gar nicht darüber sprechen wollen. Insofern ist das natürlich nie repräsentativ. Aber ich habe schon den Eindruck, dass viele Bewegte von damals immer noch freundschaftlich miteinander verbunden sind.

Zahnd: Die Freunde habe ich damals als meine Familie angeschaut. Für die biologische Familie habe ich mich nicht mehr gross interessiert – was nicht heisst, dass ich Streit gehabt hätte mit meiner Familie. Das war schon sehr stark, dass man sich als Gemeinschaft verstand und einander auch half, wenn mal jemand abkackt oder durchknallt. Es gab ja viele, die mit diesen Freiheiten nicht richtig klarkamen – gerade solche, die aus sehr repressiven Elternhäusern kamen. Oder auch die Junkies, die Leute auf der Kurve, die psychisch Kranken: dass die halt in unseren WGs auch untergekommen sind und dass man sie eben nicht ausgegrenzt hat. Wobei wir uns damit natürlich komplett überfordert haben.

Viele ZeitzeugInnen sagen auch, die politischen Forderungen nach Freiräumen wie dem AJZ seien gar nicht so zentral gewesen. Viel wichtiger sei ihnen das Gefühl von Gemeinschaft gewesen. Ist die politische Stossrichtung der Bewegung eine nachträgliche Projektion?
Zahnd: Ich glaube, das kann jeder nur für sich beantworten. Mein Widerstand war, dass ich als junge Frau Dinge tat, die zuvor Männern vorbehalten waren. Ansonsten war das für mich gar nicht im Bereich des Vorstellbaren, dass ich politisch etwas bewegen und verändern könnte. Aber es gab natürlich viele, bei denen die politische Arbeit von Anfang an im Vordergrund stand.

Schulthess: Es gibt durchaus Leute, die damals wirklich dachten: Jetzt bricht alles auf, jetzt kommt die Revolution! Andere hofften einfach mal auf das AJZ.

Zahnd: Es ist ja auch etwas aufgebrochen! Wir waren frech. Wir haben uns einfach nicht einschüchtern lassen. Aber mittlerweile ist vieles wieder zugegangen, zurück in die Enge.

Woran denken Sie?
Zahnd: Es kursieren zum Beispiel Videos von Zusammenstössen der Polizei mit Kids aus der Hausbesetzerszene, die erinnern mich schwer an die achtziger Jahre. Wer genau ist hier gewaltbereit? Oder generell dieses Zurück zum Nationalstaat, zur Ehe, zur Kleinfamilie, zur Landhausinneneinrichtung – da wird mir schwummrig!

Den Bewegten wurde damals oft vorgeworfen, sie seien nur auf Unfug aus. Wenn jetzt in den letzten Jahren irgendwo eine explosive Unruhe aufflammte, bei Nachdemos am 1. Mai oder beim Fussball, hat gerade auch die Generation der Achtziger gerne darauf hingewiesen, dass das alles so furchtbar apolitisch sei – sie selber hätten damals noch politische Ziele gehabt!
Zahnd: 1980 gab es wohl auch viele Mitläufer, die zum Teil einfach deshalb dabei waren, weil sie mal eine Scheibe einschlagen wollten. Ist aber auch nicht verboten. Vielleicht ist das ja genau der Protest: dass es um nichts geht. Sicher findet man auch heute zum Beispiel unter den Hools ein paar, die finden: «Fick das System und so, Mann!» Aber der grosse Teil sucht das Aufgehobensein in einem Wir. Und wenn du provozieren willst, gelingt das vielleicht besser, wenn es um nichts geht.

Schulthess: Man kann das schon nicht vergleichen mit damals. Nehmen wir kleinere Sachen wie Reclaim the Streets zum Beispiel …

Zahnd: Reclaim the Streets! Das sind ja Leute, die so alt sind wie ich.

Schulthess: Mag sein. Was ich sagen will: 1980 sind viele Dinge zusammengefallen, die dazu geführt haben, dass das überhaupt so gross werden konnte. Zumindest in Zürich war 1980 ja grösser als 1968.

Zahnd: Und sehr viel breiter. 1980 war viel weniger studentisch als 1968.

Im Buch «Müllern, Spotten, Brechen!» geht es vor allem um die spielerischen, quasidadaistischen Strategien der Bewegung. Die Bewegten wollten gar nicht verstanden werden, sie wollten nicht mal widersprechen, sondern vor allem: Verwirrung stiften. Kann man das so absolut sagen?
Zahnd: Was die kulturelle Strategie der Verwirrung und der ironischen Überaffirmation angeht, haben wir das bereits aus dem Punk gelernt. Wir hatten ja noch zusehen können, wie das dort passiert ist: So schnell wie Punk ist noch nie etwas in schöne Häppchen verpackt und verkauft worden. Wir wollten uns aber nicht vereinnahmen lassen, deshalb machten wir möglichst Dinge, die man nicht einordnen konnte. Aber damit lockst du niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Jede Werbung funktioniert heute so.

Schulthess: Die Strategien von damals würden heute nicht mehr funktionieren, der Kontext ist völlig anders. Diese Art von Sprachspielen, Witz und Ironie ist längst von der Werbung aufgesogen werden, und was damals alternativ war, ist heute Mainstream.

Zahnd: Man kann auch nicht mehr unterscheiden zwischen dem Staatstheater und dem freien Theater. Es sieht gleich aus, im einen Fall ist es einfach ein bisschen billiger gemacht.

Die Lust am Verstoss wurde ja nicht nur von der Werbung aufgesogen, sondern auch von den Rechten. Heute gefällt sich jeder identitäre Rassist und jeder spätpubertäre «Weltwoche»-Redaktor in der Pose des Rebellen, der den guten Ton stört.
Zahnd: Unter den Tisch liegen und heulen! Das ist, was mir spontan dazu einfällt.

Schulthess: Klar werden hier gewisse Strategien entwendet. Aber es bleibt doch sehr durchschaubar. Und es nützt auch nichts, wenn man jetzt sagt, das sei alles verloren.

Anderes Beispiel: 33 Jahre nach dem Mai 1980, also genau eine Generation später, wird mit Richard Wolff ein Bewegter von einst in den Stadtrat gewählt – und dann auch noch zum Polizeivorsteher ernannt.
Zahnd: Das ist der Lauf der Dinge. Zudem wollen ja nur Menschen ohne Vorstellungsvermögen, dass es immer gleich bleibt. Wer etwas schlauer ist, will, dass sich die Dinge ändern. Entsprechend zieht eine Speerspitze, wie es die Achtzigerjugend war, in der Regel nicht die grössten Deppen an. Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Schlauberger irgendwann noch in den bestehenden Strukturen «etwas aus sich machen» wollen oder sogar die Seiten wechseln. Man darf aber auch nicht vergessen, dass nicht wenige auf der Strecke geblieben sind.

Schulthess: Heute gibt es ja auch Unzufriedenheit, aber die Fronten sind nicht mehr so klar. Das, wogegen man sich auflehnt, ist viel abstrakter geworden. Das sind keine Köpfe mehr, es sind nicht mehr die Eltern oder der Stadtrat. Es ist schwierig, sich aufzulehnen, wenn alles irgendwie noch okay ist.

Wenn man heute Heinz Niggs Standardwerk «Wir wollen alles, und zwar subito» auf der richtigen Seite aufschlägt, packt einen das Grausen. Bei den Hauptmerkmalen der Bewegung steht dort: «Unberechenbarkeit, Flexibilität und Innovation».
Zahnd: Das ist das, was heute in der Wirtschaft gefragt ist. Natürlich, wir können nicht nichts dafür!

Schulthess: Das ist aber auch nicht spezifisch für die Achtzigerbewegung, dass sie gewissen Entwicklungen zugedient hat, die sie gar nicht wollte. Das passiert fast allen.

Zahnd: Ideen werden aufgesogen und pervertiert. Aber wenn ich bei Demos heute manchmal immer noch dieselben Sprüche skandiert höre wie damals, dieselben Songs, wird mir ganz anders. Es braucht jetzt etwas Neues. Man kann nicht wieder irgendwelche «Saubannerzüge» machen, wie die Rechten das jeweils nannten.

Mit der Klimajugend haben wir jetzt wieder eine neue, breite Protestbewegung, die sich extrem vernünftig gebärdet. Ist das die richtige Strategie?
Schulthess: Bei der Klimajugend kommt ja oft die Frage, ob die nicht zu brav sind. Die schlagen keine Scheiben ein. Sind Zerstörung und Gewalt notwendig, damit ein Protest wirksam sein kann? Das finde ich schwierig zu beantworten. Diese Diskussion wird ja auch innerhalb der Klimajugend geführt: Müssten sie militanter werden? Sollen sie jetzt die Flughäfen besetzen?

Zahnd: Oder anzünden? Aber vielleicht haben sie auch etwas gelernt! Und für die Autoritäten ist es einfacher, wenn sie dich als Krawallmacher diskreditieren können. Seit jetzt auch in Zürich diese fehlgeleiteten Impfgegner mit Rechtsradikalen und irgendwelchen linken Esoterikern demonstrieren, muss man doch noch viel genauer untersuchen, welche Methoden man selber anwendet.

Schulthess: Umgekehrt kann man die Klimajugend auch wieder verharmlosen, wenn sie so friedlich bleibt: Die stören ja nicht.

Zahnd: Aber das sind doch Kinder! Ich finde, wir können von ihnen lernen: Die sind viel toleranter als wir damals. Sie stellen die Sache über ihre persönlichen Befindlichkeiten.

In «Müllern, Spotten, Brechen!» gibt es diesen schönen Satz von Heiner Müller: «Sobald die Jugendlichen sagen können, was sie erreichen wollen, sind sie schon paralysiert.» Ist das noch wahr angesichts der Klimajugend, die ja sehr genau sagen kann, was sie erreichen will?
Zahnd: Das ist doch gerade die Provokation, dass sie so seriös auftreten und nicht auf die Kacke hauen! Schaut mal dieses Mädchen Greta Thunberg an, wie sie hinsteht und so ernst und erwachsen spricht. Da kann man nicht mehr sagen, die sei halt jung und komme dann schon zur Räson.

Schulthess: Wobei, ob die Klimajugend dann auch ernster genommen wird, weil sie nichts kaputt macht, das wissen wir noch nicht.

«Ich wäre gerne bei einer solchen Bewegung dabei gewesen.» Anja Nora Schulthess
«Mittlerweile ist vieles wieder ­zugegangen, zurück in die Enge.» Suzanne Zahnd

Zahnd: Aber die Lage ist ernster heute. Wir waren Kinder der Hochkonjunktur. Die «Wirtschaftskrise» 1982 war doch in der Schweiz gar nie so spürbar, dass wir Angst bekommen hätten, mal keinen Job zu finden, falls wir uns doch noch für ein bürgerliches Leben entscheiden würden. Heute gehts um mehr. Der gesamte Planet kollabiert, wenn wir nicht schleunigst etwas unternehmen.

Die Interviewten

Anja Nora Schulthess (31) studierte Philosophie und Kulturanalyse in Zürich. Ihr Buch «Müllern, Spotten, Brechen!» über die Untergrundzeitungen der Zürcher Bewegung erscheint voraussichtlich im Herbst im Limmatverlag. Sie lebt als freie Autorin, Journalistin und Lektorin in Zürich.

Suzanne Zahnd (58) war Bassistin und Sängerin in der Postpunkband Dangermice und später bei Eugen. Sie moderierte die Musiksendung «Sounds!» auf DRS 3. Heute lebt sie als Autorin und Yogalehrerin in Zürich und Indien, als Journalistin schreibt sie gelegentlich für die WOZ.