«Schweiz klimapositiv»: Ein elegantes Planspiel

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Weniger auf Technik, mehr auf die Gesellschaft fokussiert soll er sein, der neue Klimaplan der Grünen. Die zentralen Versprechen haben aber mit Technik zu tun – und die hat ihre Tücken.

Zu technisch sei er, zu wenig ambitioniert, und er gewichte gesellschaftliche Aspekte nicht genug: Am Klimaplan, den die Grünen im August veröffentlichten, gab es viel Kritik, nicht zuletzt von der eigenen Jungpartei. Diese Woche haben sie ihre neue Version vorgestellt. Der Plan heisst «Schweiz klimapositiv» und enthält ein neues Kapitel, in dem von «selbstbestimmter Suffizienz» die Rede ist, von der Stärkung der Quartiere, vom Teilen, von Bescheidenheit und Solidarität. Die Partei besinnt sich auf ihre konsumkritischen Wurzeln.

Bereits ab 2025 sollen keine neuen Benzin- und Dieselautos mehr verkauft, keine neuen Ölheizungen mehr gebaut werden dürfen. Und wie die Klimastreikbewegung fordern die Grünen eine Solaroffensive, Umschulungen für Fachkräfte, mehr Reparaturen, weniger Foodwaste. Aber im Zentrum des Klimaplans steht vor allem ein knackiges Versprechen: Ab 2030 wird die Schweiz «klimaneutral», 2040 dann sogar «klimapositiv» – sie soll also mehr Emissionen abbauen, als sie ausstösst. Wie soll das gehen?

«Klimaneutralität» wollen die Grünen einerseits mit Reduktionen im Inland, andererseits mit Kompensieren im Ausland erreichen. An Letzterem gibt es viel Kritik: Nachforschungen des WWF zeigen, dass die meisten Auslandszertifikate nicht die Einsparungen bringen, die sie versprechen. Darum führt das Kompensieren oft zu steigenden Emissionen.

Aber die Grünen wollten eben anders kompensieren, sagte ihr Präsident Balthasar Glättli an der Pressekonferenz zum Klimaplan: Sie wollen eine «Dekarbonisierung der Wertschöpfungskette» erreichen. Das heisst: Die Güter, die in die Schweiz importiert werden, sollen immer klimafreundlicher werden – die Emissionen, die sich dabei vermeiden lassen, sind die Kompensation. Die Dekarbonisierung soll so erfolgreich sein, «dass die Reduktion der Emissionen im Ausland den verbleibenden Emissionen im Inland entspricht», heisst es im Plan. «Damit wird eine erste Form von Klimaneutralität erreicht.»

Das tönt elegant, ist aber ein reines Planspiel. Die Umsetzung dieser Dekarbonisierung zu organisieren und zu kontrollieren, dürfte bei den heutigen komplizierten Lieferketten immens aufwendig werden. Dazu kommt, dass sich sehr viele importierte Produkte – von Baustoffen über Autos bis zu Elektronik – nur äusserst schwer dekarbonisieren lassen, und gerade erneuerbare Güter von Baumwolle bis Palmöl richten schlimme Umweltschäden an.

Um «klimapositiv» zu werden, also zu Negativemissionen zu kommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. CO2 aus Abgasen oder direkt aus der Luft zu filtern, wie es die Zürcher Firma Climeworks macht, braucht enorm viel Energie (siehe WOZ Nr. 5/2019 ). Auch mit Aufforstung oder gezielter Bodenbewirtschaftung lässt sich Kohlenstoff binden und so der Atmosphäre entziehen. Das klingt für viele sympathischer als aufwendige Technik, hat aber seine Tücken: Um einen Effekt zu haben, brauchen Aufforstungen sehr viel Platz; Landkonflikte drohen. Die Kohlenstoffmengen, die der Boden aufnehmen kann, sind begrenzt – und vor allem ist der Kohlenstoff in einem Acker nicht stabil gebunden (siehe WOZ Nr. 20/2020 ). Genauso wenig wie im Wald: Bei einer weiteren Erwärmung, wenn viele Bäume vertrocknen, kann der Wald sogar zu einer CO2-Quelle werden. Manche Methoden, etwa Biokohle oder das Wiedervernässen von Mooren, versprechen Erfolg – aber ob sich damit die riesigen Mengen CO2 aus der Luft holen lassen, die die Grünen versprechen, bleibt fraglich.

«Wir sollten Klimaschutz nicht rein technisch verstehen», sagte der Zürcher Nationalrat Bastien Girod an der Pressekonferenz. Er sprach von «weniger Konsum, mehr Beziehungen» und seinem Anzug, der fast fünfzehn Jahre alt und dank der Nadel eines lokalen Schneiders immer noch tadellos sei. Und begann dann doch über sein Lieblingsthema zu reden: die Technik.