Durch den Monat mit Michael Kaufmann (Teil 2): Was macht Ihre Musik?

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WOZ: Michael Kaufmann, Sie sind nicht nur Vizedirektor des Bundesamtes für Energie (BFE), Sie singen auch. Was haben Sie am Montagabend in der Zürcher Tonhalle gesungen?
Michael Kaufmann: Ich habe als Ad-hoc-Chorsänger der basel sinfonietta mitgemacht. Es war ein Konzert anlässlich des hundertsten Geburtstages des italienischen Komponisten Giacinto Scelsi – ein grossartiges Klangerlebnis.

Laltracosa heisst Ihr eigener Chor. Wer darf mittun?
Oh ... alle, bunt gemischt. Im Moment machen etwa vierzig Personen mit. Den Chor leite ich schon seit seit 23 Jahren. Wir machen Verschiedenes, politische Sachen, Brecht/Eisler zum Beispiel, aber auch Madrigale und moderne Klassik.

Sie führten einmal eine Messe auf ...
... die Petite Messe Solennelle von Rossini, in der Berner Reitschule. Das ist für mich ein zentraler Punkt: Es ist sehr wichtig, wo ein Werk aufgeführt wird. Je nach Wahl des Umfelds kann sich auch die Aussage ändern. Was ist die Funktion von Musik? Diese Frage interessiert mich. Vor zwei Jahren haben wir ein Konzert mit US-amerikanischer Musik aus dem 20. Jahrhundert gemacht, Jazz und moderne Klassik. Der Golfkrieg war voll im Gang. Der Titel war: Das andere Amerika. Es war ein Kontrast zur Bush-Politik. Solche Dinge interessieren mich in der Musik.

Nach dem Gymnasium entschieden Sie sich für einen Weg, auf dem Sie die Welt verändern wollten, wie Sie im letzten Gespräch sagten. Sie wurden Agronom, nicht Musiker. Haben Sie es nie bereut?
Ich habe immer Musik gemacht – nebenberuflich. Vor einem Jahr schloss ich an der Hochschule für Musik in Bern ein Nachdiplomstudium in Musik/Medienkunst ab. Je nachdem wie meine berufliche Karriere weiter verlaufen wäre, würde ich vielleicht mehr Musik machen. Jetzt habe ich einen sehr anspruchsvollen Job und bin glücklich darüber. Ich arbeite jedoch deutlich besser, wenn ich einige wenige Stunden Musik mache. Das tut dem Kopf gut und auch der Seele.

Harte Monate stehen Ihnen bevor. Unter anderem geht es um die Strommarktliberalisierung. 2002 lehnte die Bevölkerung die Öffnung des Strommarktes ab. Nun drohen die Umweltverbände wieder mit dem Referendum, weil der vorliegende Gesetzesentwurf die erneuerbaren Energien kaum fördert. Sie sind beim Bund quasi der Herr der sauberen Energie. Werden Sie das Referendum unterstützen müssen?
Unser Ziel ist es, ein Referendum zu verhindern. Wir vom BFE haben unsere Vorarbeit geleistet. Jetzt liegt der Ball beim Parlament. EnergieSchweiz hat ein klares Ziel, das im Gesetzesentwurf auch eingeflossen ist: Die erneuerbaren Energien müssen gefördert werden. Nach welchem Modell das passiert, darüber muss und kann man jetzt streiten. Hauptsache, wir kriegen ein Fördermodell, das wirklich einschenkt und den Anteil der erneuerbaren Energien massiv erhöht. Das ist vor allem auch wirtschaftspolitisch gesehen entscheidend. Wenn die Mittel nicht bereitgestellt werden, gerät die Schweiz ins Abseits. Deutschland ist viel weiter, Österreich auch.

Liberalisierung bringt doch einfach mehr billigen Dreckstrom. Wollen Sie das?
Diese Gefahr besteht schon heute, auch ohne das Stromversorgungsgesetz (StromVG). Doch gleichzeitig wollen immer mehr Leute sauberen Strom – die Tendenz geht Richtung Ökostrom, die Werke verdienen damit Geld. Es ist wie mit dem Biolandbau: Dieser ist heute auch salonfähig. Im Moment geht es also vielmehr darum, die bisherigen staatlichen und halbstaatlichen Monopole in ein Konkurrenzmodell umzuwandeln und die Versorgungssicherheit mit flankierenden Massnahmen abzusichern. Das ist von allen Seiten unbestritten und kann auch aus «grüner» Sicht etwas bringen. Nun muss ausdebattiert werden, unter welchen Rahmenbedingungen dieser Prozess stattfindet. Wie schnell soll der Markt geöffnet werden, wie hat die Förderung der erneuerbaren Energien auszusehen? Ich bin optimistisch, dass wir das diesmal im StromVG schaffen, weil es die Bauern, die Alpenkantone, ein Teil der Wirtschaft sowie die Umweltorganisationen und Gewerkschaften wollen. Spielt diese Mehrheit, dann braucht es auch kein Referendum.

Was passierte, wenn das StromVG trotzdem abgelehnt würde?
Dann hätten wir einen riesigen Scherbenhaufen. Die Kartellkommission würde dann den Markt ohne flankierende Massnahmen öffnen. Es würden nur die ganz Grossen profitieren – das bedeutete Wildwest. Oder in der Sprache der Musik: Freejazz-Chaos statt Kunst der Fuge.

Michael Kaufmann ist Vizedirektor des Bundesamtes für Energie und Prgrammleiter von EnergieSchweiz. Von 1992 bis 2004 sass er für die SP im Berner Grossen Rat. Der studierte Agronom war Inlandredaktor bei der SP-Zeitung «Tagwacht» und Chefredaktor der Nachfolgerin «Hauptstadt», die 1998 schliessen musste.