Durch den Monat mit Michael Kaufmann (Teil 1): Wollten Sie Bauer werden?

Nr. 1 –

Michael Kaufmann, dreissig Jahre lang haben Sie als Linker versucht, die Welt zu verändern. Nun sind Sie Vizedirektor des Bundesamtes für Energie. Traumjob oder das Ende eines Traums?
Weder noch. Ich kandidierte 2003 zum zweiten Mal für den Nationalrat ... es hat nicht geklappt. Damit war für mich meine politische Karriere abgeschlossen. Ich bin vor kurzem fünfzig geworden und habe seit einiger Zeit eine neue Herausforderung gesucht. Deshalb – und wegen der Energiethematik – hat mich diese Stelle interessiert. Mein neuer Job ist die logische Weiterführung meiner bisherigen Arbeit. Die Professionalität in der Bundesverwaltung gefällt mir sehr. Es tut gut, inhaltlich solide Arbeit zu leisten und etwas Konkretes zu tun. Als Politiker musste ich ja zwangsläufig immer dilettieren.

Sie amten auch als Programmleiter von EnergieSchweiz und sind damit oberster Energiesparer des Landes. Ein ungemütlicher Job, hatte doch der Bundesrat schon versucht, EnergieSchweiz abzuschiessen.
Überhaupt nicht, obwohl der Bundesrat vor einem Jahr tatsächlich ganz auf EnergieSchweiz verzichten wollte. Das Parlament hat das dann aber Ende 2003 verhindert und dem Programm Kontinuität gegeben.

Ihr Budget wurde um zehn Millionen Franken gekürzt.
Richtig. Doch die Spardebatte war auch heilsam und führte zu einer Konzentration der Kräfte. Bei der Sparrunde im Dezember 2004 wurden wir dafür verschont und legten sogar ein bisschen zu.

Wie das?
Wir konnten darlegen, dass EnergieSchweiz nicht nur die CO2-Emissionen senkt, die Energieeffizienz fördert und die erneuerbaren Energien stärkt, sondern auch volkswirtschaftlich viel bringt. Für das Programm standen bisher jährlich gut 50 Millionen Franken zur Verfügung. Damit lösen wir aber jährlich rund 800 Millionen Franken an Investitionen aus! Und entlasten die Arbeitslosenkasse pro Jahr um über 100 Millionen – konkret schafft EnergieSchweiz in einem Jahr Arbeit für gut 5000 Personen.

Man erwartet auf Ihrem Posten einen Ingenieur, einen Techniker – aber Sie sind Agronom. Wollten Sie Bauer werden?
Nein (lacht). Ursprünglich wollte ich Musik und Literatur studieren. Ich machte 1973 die Matura und war mitten in den 68er-Diskussionen drin. Die Umverteilungsproblematik interessierte mich, der Umgang mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln, die Industrieländer, die nur reich sind, weil sie verbrauchen, was der Süden produziert. Dagegen wollte ich konkret etwas tun. Doch mit Musik verändert man nicht die Welt, deshalb studierte ich Agronomie. Da steckt alles drin: die Naturwissenschaften wie die Nationalökonomie – das perfekte Studium zum Generalisten. Davon profitiere ich noch heute.

Und bauern, um die Welt zu verändern, wie das damals viele versuchten?
Ich hatte einige Studienkollegen, die in abgelegenen Bergtälern verschwanden. Aber das war nie mein Ding. Die Schweiz ist ein urbanes Land, ich bin ein urbaner Mensch. Mich zogen die grossen Zusammenhänge an. In den achtziger Jahren schrieb ich für die Erklärung von Bern eine Broschüre über Fleisch und Futtermittel. Später habe ich geholfen, die Stadt-Land-Initiative für ein soziales Bodenrecht durchzuziehen, beschäftigte mich mit Raumplanungsfragen und war 1980 Mitgründer des ersten selbst verwalteten Bioladens in Bern.

Sie kommen aus einer gutbürgerlichen Familie. Wie fand die das?
Mein Vater war Arzt, gehörte der FDP an, ich sympathisierte mit den Achtundsechzigern, das gab natürlich Diskussionen. Doch das war der typische Generationenkonflikt. Mein Vater ist aber ein klassischer Liberaler, ein Freisinniger, wie es ihn heute nicht mehr gibt, mindestens nicht mehr in den Parlamenten. Damals gab es in Bern aber noch einige dieser dissidenten Freisinnigen, die später zu den Grünen wechselten, wie zum Beispiel Leni Robert oder Rosmarie Bär.

Sie gelten als Polittier. Doch für ein hohes politisches Amt hat es nie gereicht. 2003 kandidierten Sie zusammen mit Ursula Wyss in derselben SP-Sektion für den Nationalrat. Wyss wurde gewählt, Sie nicht. Das muss frustrierend gewesen sein.
Überhaupt nicht. Es ist gut, dass junge Frauen gewählt werden. Das Parlament hat ihre Inputs dringend nötig. Das sehe ich jetzt bereits nach wenigen 
Monaten in der Bundesverwaltung.

Also kein bisschen enttäuscht?
Eigentlich nein. Für mich war höchstens schwierig, zu akzeptieren, dass ich auf der Männerliste keine Chance hatte. Vor allem aber: Wahlen haben nun einmal nichts mit Gerechtigkeit zu tun. 
Da spielen Zufälligkeiten mit.

Michael Kaufmann ist Vizedirektor des Bundesamtes für Energie und Programmleiter von EnergieSchweiz. Von 1992 bis 2004 sass er für die SP im Berner Grossen Rat. Der studierte Agronom war Inlandredaktor bei der SP-Zeitung «Tagwacht» und Chefredaktor der Nachfolgerin «Hauptstadt», das 1998 schliessen musste.