Durch den Monat mit Michael Kaufmann (Teil 3): Kennen Sie Ihr CO2-Budget?

Nr. 3 –

WOZ: Michael Kaufmann, wann sind Sie das letzte Mal geflogen?
Michael Kaufmann: 1995, nach Palermo. Ich fliege eigentlich nie, wenn es möglich ist, den Zug zu nehmen ...

Nach Palermo könnte man den Zug nehmen.
Das war ein Notfall. Fragen Sie mich, wann ich das zweitletzte Mal geflogen bin.

Wann?
1976, nach Harare. Ich fliege also alle zwanzig Jahre einmal.

Weil Sie als Vizedirektor des Bundesamtes für Energie ein so umweltbewusster Mensch sind?
Es hat auch mit Umweltbewusstsein zu tun, aber vor allem bin ich ein Zugfan. Ich liebe lange Reisen im Zug ... der Speisewagen ... wie die Landschaft vorüberzieht ... Fliegen finde ich hingegen unangenehm, man ist in der Kabine eingezwängt, die Landung ist jeweils ein Kulturschock, grauenvoll!

Diese Woche geht die Vernehmlassung zur CO2-Abgabe respektive zum Klimarappen zu Ende. Kennen Sie Ihr persönliches CO2-Budget?
Ich habe selbst kein Auto und fahre nur punktuell mit Mietwagen ... vor allem in den Ferien. So bin ich 2004 auf etwa 800 Autokilometer gekommen. Ich habe meine Angaben in den CO2-Energierechner von Novatlantis eingegeben und komme auf einen Energieverbrauch von 5200 Watt. Um nachhaltig mit der Energie umzugehen, dürfte eine Person pro Jahr noch etwa 2000 Watt verbrauchen.

Der heutige Durchschnitt liegt bei etwa 6000 Watt. Sie liegen unter dem Durchschnitt, sind aber noch weit von den 2000 Watt entfernt.
Das zeigt: Auch wenn man sich einigermassen energiebewusst verhält, braucht man zu viel Energie. Das bedeutet, dass die Energieeffizienz von Geräten, Fahrzeugen und Produkten massiv gesteigert werden muss und ebenso der Anteil der erneuerbaren Energien am Energien-Mix.

Wohnen Sie in einem Minergiehaus?
Nein, ich wohne in einem ganz normalen Stadthaus, als Mieter. Das Haus wurde in den vierziger Jahren erbaut, seine Energiebilanz ist wohl nicht besonders gut. Die Sanierung von Altbauten ist ein grosses Thema: Pro Jahr werden in der Schweiz zwei Millionen Quadratmeter Wohnfläche saniert – das ist wenig und nur drei Prozent davon erfüllen den Minergiestandard. Wenn wir diesen Anteil massiv erhöhen könnten, sähe unsere CO2-Bilanz sehr viel besser aus. Würde ein Drittel der Gebäude Minergiesaniert, könnten wir rund 100000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen, das würde die Wirkung von EnergieSchweiz – dem Energiesparprogramm des Bundes – um rund fünf Prozent erhöhen.

Womit wir beim CO2-Gesetz wären. Die Wirtschaft torpediert die CO2-Abgabe und will den Klimarappen durchboxen.
Es gibt nicht ein einstimmiges Ja oder Nein von der Wirtschaft. Vor allem innovative Firmen sehen das anders: Es gibt gegen tausend Schweizer Unternehmen, die mit Vereinbarungen auf freiwilliger Basis die CO2-Ziele erfüllen. Mit solchen Vereinbarungen erfassen wir fast vierzig Prozent der CO2-Emission der Industrie, die wir einsparen müssen. Die Firmen, die dabei mitmachen, haben investiert und wollen die CO2-Abgabe. Sie haben davon einen direkten Vorteil.

Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse beteuerten in den vergangenen Jahren: Wir reduzieren das CO2 freiwillig. Darauf tun verantwortungsbewusste Firmen, was Economiesuisse sagt: Sie investieren, um – freiwillig! – den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Danach sagt Economiesuisse: Ätsch! Wir wollen jetzt nur noch den Klimarappen. Diejenigen, die sich freiwillig engagierten, wären die Betrogenen, wenn der Klimarappen kommt.
So kann man es sehen. Die Wirtschaft muss sich entscheiden, welchen Weg sie gehen will: denjenigen der Innovation oder denjenigen des Althergebrachten. Ich hoffe und zähle auf die innovative Wirtschaft. Im Übrigen besagt das CO2-Gesetz, dass mindestens die Hälfte des CO2 im Inland eingespart werden muss. Das geht beim Klimarappen nicht, denn damit müssten wir vor allem im Ausland CO2-Zertifikate kaufen – also uns an Projekten beteiligen, die im Ausland CO2 reduzieren.

Der Klimarappen verstösst gegen das Kartellgesetz, wie die Wettbewerbskommission festgestellt hat, und er wird gegen das CO2-Gesetz verstossen. Warum noch darüber reden?
Sicher wäre die CO2-Abgabe die einfachste Lösung ... und die, die im Inland am meisten bringt. Aber auch der Klimarappen hätte einen positiven Aspekt: So kämen jährlich etwa 120 Millionen Franken zusammen, mit denen man viele interessante Projekte fördern könnte. Zum Beispiel ein Anreizsystem, um Altbauten nach Minergiestandard zu sanieren.

Vielleicht kommt es zu einer Mischlösung: Auf Brennstoff, also Heizöl, wird die CO2-Abgabe erhoben, auf Treibstoff der Klimarappen. Ein fader Kompromiss.
Das wäre immerhin ein erster Schritt. Und ein grundsätzliches Startsignal der Politik. Das Thema Klima wird uns eh noch lange beschäftigen.

Fliegen ist klimaschädigend. In der Bundesverwaltung wird viel geflogen, vor allem im Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation – also in Ihrem Departement. Ein bisschen inkonsequent.
Das stimmt, lässt sich aber nicht vermeiden. Es gibt viele internationale Verpflichtungen, die man einhalten muss. Die Schweiz profitiert von diesen Aktivitäten.

Wie wär es denn wenigstens mit Myclimate? Diese Organisation verkauft einen Bonus auf Flugtickets. Damit werden Projekte gefördert, die das emittierte Flug-CO2 kompensieren.
Die Myclimate-Idee finde ich persönlich sehr gut. Wenn der Bund mitmachen möchte, gibt es allerdings finanztechnische Probleme, weil es eben auch um Steuergelder geht. Im Rahmen von Rumba, dem Energiesparprogramm des Bundes, ist jedoch eine Lösung anzustreben. Auf jeden Fall setze ich mich aus Sicht von EnergieSchweiz für eine solche Lösung ein. Der Bund soll als Vorbild vorangehen.

Michael Kaufmann ist Vizedirektor des Bundesamtes für Energie und Programmleiter von EnergieSchweiz. Er war SP-Grossrat und Inlandredaktor bei der SP-Zeitung «Tagwacht» und Projektleiter und Geschäftsleitungsmitglied des Ökologie- und Planungsbüros Naturaqua PBK.