Fumetto Luzern: La Planète sauvage

Nr. 15 –

Das 14. Internationale Comix-Festival oszilliert zwischen Le Dernier Cri und der Comicszene von Finnland.

Seit dem 6. April sind in Luzern Comicschaffende dabei, sich auf das bereits zum vierzehnten Mal stattfindende Comix-Festival Fumetto einzustimmen. Lea Huber, Andrea Caprez und dreissig andere tun dies, indem sie ihre Arbeiten in den Schaufenstern von Drogerien, Optikern und Buchhandlungen präsentieren. Nach zehn Tagen Vorlauf stehen wiederum eine ganze Reihe von Veranstaltungen und Ausstellungen auf dem Programm, die ebenfalls das ganze Stadtgebiet überziehen. Internationales Comicschaffen aus Spanien, Frankreich, Finnland, Deutschland und den USA steht im Zentrum, und auch das schweizerische Schaffen erhält ein repräsentatives Forum. Eine Reihe von Talkshows, Signierstunden, der Wettbewerb zum Thema Heimat, die Fumetto-Bar und drei Konzerte mit den Promis Thomas Ott, Christoph Badoux und Hösli auf der Bühne runden das Programm ab. In Zusammenarbeit mit Fantoche ist ein Trickfilmprogramm konzipiert, das auf das Festival in Baden im September hinweist.

Comics aus Finnland

In den vergangenen Jahren waren Comicschaffende aus Südafrika, Israel und Hongkong zu Gast. Dieses Jahr wird der Fokus erstmals auf Comics aus Finnland gerichtet. Das hat guten Grund, denn in den vergangenen Jahren waren immer wieder Comicschaffende aus Finnland unter den PreisträgerInnen des vom Fumetto ausgeschriebenen Wettbewerbs zu finden. Matti Hagelberg und Katja Tukiainen gehören zu den Aushängeschildern der finnischen Szene, mit Tommi Musturi und Marko Turunen erhalten zwei Preisträger früherer Fumetto-Wettbewerbe ein grösseres Forum. Der Autorenverlag Napa präsentiert ein Programm, das vom Comic über Daumenkinos bis zum Kunstbuch reicht und so das breite Spektrum der finnischen Comicwelt aufzeigt.

Matti Hagelberg kommt im Comicmagazin «Strapazin» vom vergangenen Dezember zum Thema Nordlichter zu Wort und zeigt mit «Kekkonen im Walfischbauch» und «Das Schloss der Vampire» Proben seines Könnens. Er arbeitet - wie der Schweizer Thomas Ott - mit Schabkarton, aus dem er seine Geschichten herausschält. Christian Gasser hat den «Anthropologen vom Planeten Mars» interviewt und dabei schön herausgearbeitet, wie ein eigenständiger Kosmos entstehen kann, der trotzdem in der eigenen Geschichte und im Alltag verwurzelt ist. So hat er über den finnischen Präsidenten Urho Kekkonen (1900-1986) - mit dem ihn sogar Ähnlichkeiten wie Glatze und Brille verbinden - eine Art Biografie verfasst. Kekkonen war finnischer Präsident von 1956 bis 1982, «war ein echter Landesvater, eine sehr patriarchalische Gestalt, um die sich natürlich unzählige Anekdoten und Legenden ranken». Also idealer Stoff und Basis für eine Geschichte bei der «bis auf einige wahre Details» alles weiter erfunden werden kann. Kein Wunder auch, dass die dicke Hardcover-Version von «Kekkonen» in einem renommierten Belletristikverlag erschien. Man findet bei Hagelberg aber auch andere historische Figuren wie den Hitler-Architekten Albert Speer, den legendären Skispringer Matti Nykännen und Figuren aus der Popkultur wie Mickey Mouse, Fred Flintstone und Pinocchio. Hagelberg will «den Leser sozusagen von der Geschichte ablenken und ihn auf andere Fährten, in andere Geschichten führen». Da kann es natürlich schon einmal passieren, dass Gott nach einer Kneipentour als Satan nach Hause kommt und den Schlüssel zum Paradies nicht mehr findet. In einigen Geschichten tritt Hagelberg als Herra Matti Hagelberg oder Lauri Kentä (Name von Clark Kent in den ersten finnischen Supermancomics) auf und knüpft so an das Genre des stark autobiografisch gefärbten Comics an, der in vergangenen Jahren wieder stärker ins Zentrum der Wahrnehmung gerückt ist.

Totentänze seit dem Mittelalter

Durch den «Totentanz» vom vergangenen Freitag in Rom hat der gleichnamige Programmblock des Fumetto unerwartete Aktualität bekommen. Die ersten Totentanzdarstellungen gehen auf die traumatischen Erfahrungen während der grossen Pestkatastrophen im 14. Jahrhundert zurück und zeigten nicht selten ein einigermassen festfreudiges Skelettvolk. Manch einer und eine mag sich da gesagt haben «Saufet und fresset heut, den morgen seid ihr des Lebens nit mehr gwiss». Die Beispiele reichen von Matthäus Merians Basler Totentanzdarstellungen, über «The Skeleton Dance» von Ub Iwerkes (1929) bis zu den Plattencovers von Grateful Dead und den Videoclips der Chemical Brothers. Zudem ist auf der Luzerner Spreubrücke ein der Werkstatt von Caspar Meglinger zugeschriebener Totentanz zu bewundern und im kantonalen Regierungsgebäude - dem ehemaligen Jesuitenkollegium - der Reigen von Jakob von Wyl.

Wettbewerb zum Thema Heimat

Der diesjährige Wettbewerb zum Thema Heimat hat zu einer Fülle von Material geführt, 668 Arbeiten aus 24 Ländern wurden eingereicht. Inhaltlich wurde der Heimatbegriff von den ComiczeichnerInnen nicht besonders folkloristisch, sondern eher emotional gefasst, deshalb könnte man den Titel um «Globalisierung, Migration und Integration» erweitern. Ein Teil der Arbeiten soll später speziell aufbereitet als Unterrichts- und Diskussionsmaterial für Jugendliche genutzt werden.

Mit den Arbeiten von Jean-Christophe Menu und Edmond Boudoin aus Frankreich und Max aus Spanien sind weitere prägende Köpfe aus dem Paralleluniversum vertreten. Dabei muss die einheimische Szene nicht hinten anstehen. Melk Thalmann und Ingo Giezendanner - der als grrr auftritt - gehören dazu, genauso wie die Street-Art von Raffinerie, deren ExponentInnen aus dem Umfeld des Zürcher Magazins «Word» stammen. Mit «How Should I Know», einer Installation aus Superachtfilmen, Zeichnungen und Erinnerungen des Genfer Zeichners und Verlegers Nicolas Robel erhält die Romandie ein Forum, das für die kommenden Jahren unter dem Label Swiss Romands weitergeführt werden soll.

Der Verlag Le Dernier Cri kommt aus Marseille. Aus seinem Atelier kommen Siebdruckeditionen zwischen Art brut und der Ästhetik des Punk. Sie sind liebevoll hergestellt, hervorragend gedruckt, sie sind wild und provokativ, voller Überraschungen in Inhalt und Gestaltung. Zu ihrem zehnten Geburtstag haben dreissig KünstlerInnen Siebdrucke gestaltet und am Animationsfilm «Les Religions sauvages» mitgearbeitet.

«Fumetto - Internationales Comix-Festival» in: LUZERN Kornschütte (Festivalzentrum) und weiteren Orten der Innenstadt, Sa, 16., bis So, 24. April. www.fumetto.ch