Filme aus dem arabischen Raum: Ausnahmezustand

Nr. 17 –

In Bern und Zürich präsentiert eine neue Generation von FilmemacherInnen ihre Arbeiten.

Heute, da unsere Augen sich regelmässig auf die arabische Welt richten, anklagend, verwirrt oder auch einfach gespannt, sind Bilder aus «Arabien» zum festen Bestandteil unserer täglichen Dosis Nachrichten geworden. Von Volksaufständen in Beirut über Demonstrationen in Gasa bis zur täglichen Portion Irak prägen diese Bilder unsere Wahrnehmung der Länder und Leute einer arabischen Welt, deren politische Realität uns oft noch verständlicher erscheint als ihre alltägliche Kultur.

Zu einem Zeitpunkt, in der die ganze Region grosse geopolitische, gesellschaftliche und kulturelle Umwälzungen erlebt, richten auch die arabischen FilmemacherInnen den Blick auf ihre Umgebung und analysieren und hinterfragen die Bilder der arabischen Realität. Sie machen sich auf die Suche nach ihrer Identität und stellen diesem uns von den Medien aufgedrängten, zunehmend standardisierten und vereinfachenden Bild der arabischen Welt ihre eigenen Bilder gegenüber. Ihre Filme zeigen andere Wirklichkeiten, die sich mehr mit dem Alltäglichen als mit der grossen Politik auseinander setzen und somit die Ängste, Sehnsüchte und Fragen der Menschen ungeschönt reflektieren. So wird beispielsweise der Konflikt im Irak oder in Palästina nicht aus einem politischen Blickwinkel heraus behandelt, sondern vielmehr aus einer persönlichen Sicht der damit verbundenen Probleme.

Libanesische KuratorInnen

Zum zweiten Mal folgt die Vereinigung des Beirut Development Cinema (BDC) der Einladung Dagmar Reicherts, Professorin für Kulturgeografie an der Universität Zürich, die von ihr initiierten arabischen Filmtage zu kuratieren. Das BDC wurde 1999 von einer Gruppe LibanesInnen als Filmproduktionskooperative gegründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, eine neue Form von arabischem Kino zu fördern, die einen effizienten Beitrag in der humanitären und sozialen Arbeit leistet. Anlässlich der arabischen Filmtage in Zürich und Bern nehmen sie die Möglichkeit wahr, eine Auswahl jüngster Produktionen aus sechs arabischen Ländern vorzustellen, die das Bild junger, unabhängiger FilmemacherInnen zeigen, die in ihrer Heimat oder in der Diaspora leben.

Fokus Palästina

Den eigentlichen arabischen Filmtagen stellen die Organisatoren einen Fokus Palästina voran, der mittels verschiedener Spiel- und Dokumentarfilme einen Einblick in den palästinensischen Alltag in den Autonomiegebieten, in Nazareth oder Jerusalem gibt.

Von palästinensischen Filmen wird erst seit den achtziger Jahren gesprochen, als FilmemacherInnen wie Michel Khlefi, 1950 in Nazareth geboren, begannen, sich als palästinensische RegisseurInnen vorzustellen. Mit «Hochzeit in Galiläa» (1987) gelang dem in Belgien lebenden Khlefi der internationale Durchbruch. Während Khlefi mit emotionalen Geschichten vor dem Hintergrund der ersten Intifada einen poetischen Realismus begründet hat, ist die Alltagswirklichkeit beim ebenfalls in Nazareth geborenen Elia Suleiman immer ironisch bis satirisch gebrochen. Suleiman - nach dem letztjährigen Kassenerfolg von «Intervention Divine» auch hierzulande kein Unbekannter mehr - geht der verkümmerten Kommunikation zwischen Menschen im Alltag nach und spürt die Groteske des Aneinandervorbeilebens im alltäglichen Ausnahmezustand auf. Neben den Filmen der beiden bekannten Meister präsentiert das Programm palästinensische und palästinensisch geprägte Kurzfilme und zwei Filme des noch zu entdeckenden Filmemachers Hany Abu-Assad: «Rana’s Wedding» (2000) und «Ford Transit» (2002). «Paradise Now», Abu-Assads jüngstes Werk über zwei Selbstmordattentäter, gewann dieses Jahr den Publikumspreis an der Berlinale.

Einblick in den Irak

Neben Filmen aus Marokko, Ägypten, Mauretanien und Syrien zeigen die arabischen Filmtage zwei libanesische Dokumentarfilme, die sich mit dem Irak beschäftigen. Eliane Raheb ist in «Suicide» (2003) den vielen arabischen Freiwilligen auf der Spur, welche die trügerische Hoffnung auf einen Sieg in den Irak lockte, und geht deren Schicksalen nach dem Fall des Regimes nach. In «Road Beyond the Sunset» (2004) von Bassem Fayad durchqueren vier junge Araber das Zweistromland. Sie reisen dem Sonnenuntergang entgegen durch Städte und Dörfer bis nach Bagdad. Dort treffen sie auf irakische Freunde, die den ersten irakischen Film nach dem Krieg drehen.

Auch wenn die meisten der im Programm vorgesehenen arabischen Filme unter äusserst schwierigen Bedingungen und mit bescheidenen finanziellen Mitteln realisiert worden sind, zeugen sie von der Dynamik einer neuen, selbstbewussten Generation unabhängiger arabischer FilmemacherInnen, deren Kreativität die Kraft hat, die kulturelle Identität ihrer Herkunftsländer zu prägen und über ihre Filme in die Welt hinauszutragen.

2. Arabische Filmtage in: ZÜRICH, Kino Xenix Do, 28. April, bis Do, 12. Mai. BERN Kino Kunstmuseum, Sa, 7., bis So, 15. Mai. Infos: www.xenix.ch; www.kinokunstmuseum.ch