Film: Das Paradies liegt anderswo

Nr. 22 –

Misstrauen ist wie ein Geschwür. Wenn es sich einmal irgendwo eingenistet hat, greift es bald nach allen Seiten aus. Erst recht in der Westbank, wo der junge Palästinenser Omar (Adam Bakri) nach einem tödlichen Attentat auf einen israelischen Stützpunkt verhaftet wird. Weil er nicht selbst geschossen hat, kommt er zwar bald wieder frei, doch das macht ihn bei seinen Gefährten vom Widerstand erst recht verdächtig: Wer so rasch in die Freiheit entlassen wird, muss doch ein Kollaborateur sein? So gerät Omar immer tiefer in einen Strudel von Argwohn und Verrat, bis er nicht einmal mehr weiss, ob er seiner Liebe Nadia (Leem Lubany) noch trauen darf. Ach ja, und diese Nadia ist die Schwester seines besten Freunds, der auch der Anführer hinter dem Anschlag war. Alles klar?

Er ist dann doch weniger kompliziert, als er sich anhört, der neue Spielfilm des Palästinensers Hany Abu-Assad. Acht Jahre nach «Paradise Now» (2005), seinem packenden Drama über zwei designierte Selbstmordattentäter, war er mit «Omar» erneut für einen Oscar nominiert – was in diesem Fall nun aber nicht recht einleuchten will. Auch wenn Abu-Assad es irgendwann übertreibt mit überraschenden Wendungen: Den Thriller hat er gut im Griff, von den sparsam ausgeleuchteten Folterszenen bis zu den atemlosen Verfolgungsjagden zu Fuss über die Dächer und durch enge Gassen.

Die Liebe aber, die den Plot in mechanischer Regelmässigkeit immer wieder ausbremst, ist wie aus Pappe gemacht. Für sie muss Omar täglich über die grosse Mauer klettern, die ihn von seiner Geliebten trennt. Wir verstehen schon: Je höher das Hindernis, umso stärker die Liebe. Bloss, da glüht nichts zwischen den beiden. Vielleicht ist das symptomatisch für diesen ersten Film, der allein mit palästinensischem Geld produziert wurde: Stark ist er im Klima von Angst und Unterdrückung, hilflos dagegen in einer Romantik, die gegen die politische Wirklichkeit nicht ankommt.


Ab 29. Mai 2014 in den Kinos.

Omar. Regie: Hany Abu-Assad. Palästina 2013