Monique Schwitter: Jeder und jede allein im Detail

Nr. 44 –

Ein irritierend leichtes und viel versprechendes Debüt.

Wir spielen bloss in einem Theaterstück, das «Leben» genannt wird. Die Sprache oder das, was auszusprechen wir imstande sind, bestimmt die Wirklichkeit. Der Rest ist allenfalls in Differentialrechnungen zu erfassen. Denn der Untertitel von Monique Schwitters viel gelobtem erstem Erzählband «Wenn’s schneit beim Krokodil» lautet: «(Analysis > Infinitesimalrechnung > Differential- und Integralrechnung > Differenzierbarkeit > Definition)».

Diese Referenz an die heutige wissenschaftsorientierte Zeit täuscht aber. Schwitters Geschichten sind leicht zu lesen. Auf den ersten Blick manchmal fast zu leicht. Irritierenderweise kommen einem dabei Begriffe wie Fastfood, Girlyliteratur oder Hennes und Mauritz in den Sinn; krudes Durcheinander moderner Konsumsymbole. Und das ist wahrscheinlich der Kunstgriff: Monique Schwitter erzeugt mit frecher Hand Stimmungen - wie durch einen unachtsamen Klaps ins Gesicht -, und zwar mit solch akribischer Detailtreue, dass einem die kollektive Lebensstimmung auf den Kopf fällt. Wie beim Anschauen eines Fotoalbums. Nicht die Sujets berühren uns, sondern all die Erinnerungen an die Ereignisse und Umstände, die zum Bild geführt haben.

Schwitters ProtagonistInnen stricken ihre Lebensgeschichten weitgehend allein, jeder und jede für sich: Ob sie sich nun in einer Notfallaufnahme wegen einer unerwünschten Schwangerschaft befinden, die im Delirium tremens vegetierenden Exliebhaber aus der mit leeren Bierflaschen übersäten Wohnung retten oder die Anmache des hundeverrückten Untermieters ertragen, es gibt keine Rettung aus der Isolation. Und es gibt keine Zwischentöne, nur Unsicherheiten, erkennt eine der jungen Frauen, als sie im Morgendunst den Fluss entlangläuft.

Monique Schwitter, geboren 1972 in Zürich, lebt in Hamburg, wo sie als Schauspielerin arbeitet. So sprechen auch ihre Figuren einen Text, den man einem Stück zuordnen möchte, das «Zeitgeist» hiesse. Doch wer sind sie wirklich? Junge StädterInnen, die versuchen, Verantwortung zu übernehmen für Dinge, die heute noch da und morgen bereits weg sind. Man beginnt sie zu lieben, diese StadtindianerInnen, die sich symbolische Namen geben wie «tanzende Kriegerin», Beschwörungen, um dem eigenen Leben einen Inhalt zu geben. «Die Krähen überlassen sich dem Wind und trudeln durch die Luft, die Wolke explodiert in einzelne schwarze Körper, die ziellos durch die Luft trudeln. Das war’s. Ein Flügelschlag. Vorbei.» So lässt Monique Schwitter ihren ersten Erzählband enden.