Durch den Monat mit Susann Sitzler (Teil 5): Wann kommt das Buch?

Nr. 13 –

Susann Sitzler: «Sehr lange hat man in der Schweiz offenbar gedacht, dass es die Vorteile der Stadt ohne die negativen Begleiterscheinungen geben könnte.»

WOZ: Frau Sitzler, knapp die Hälfte Ihrer Zeit in Schwamendingen ist um. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?
Susann Sitzler: Gut! Ich bin mitten im Thema, wenngleich ich vieles natürlich noch nicht kennen gelernt habe. Ich habe mittlerweile ein Gefühl für den «Schwamendingen-Groove» entwickelt, und dieser Groove trägt mich durch die Recherche. Ich habe von Anfang an gewusst, dass es hier nicht so gruselig oder öde ist, wie gern behauptet wird. Wie schon gesagt: Schwamendingen ist eine Metapher, aber für etwas anderes, als man denkt.

Spüren Sie mittlerweile doch noch einen gewissen Druck vonseiten der InitiantInnen des Buchprojekts?
Nach wie vor nicht, nein. Wenn mich ein Schwamendinger einem Gesprächspartner vorstellt, heisst es immer schon im Voraus: «Aber Frau Sitzler wird schreiben, was sie für richtig hält.» Das scheint sich herumgesprochen zu haben. Ich habe das Gefühl, man ist stolz darauf, ein unabhängiges Buch über Schwamendingen initiiert zu haben.

Einhausung der Autobahn, Fluglärmdebatte – Schwamendingen ist zurzeit sehr präsent in den Medien. Kann Ihr Buch davon profitieren?
Es ist sicher hilfreich, dass man sich der besonderen Lage Schwamendingens bewusst wird. Aber für mich steht die aktuelle Politik nicht im Vordergrund. Mich interessiert, wie der normale Alltag aussieht, in den diese Politik hineinspielt. Und wie daraus das Bild entstanden ist, das Schwamendingen heute in der Schweiz hat.

Eine Journalistin hat mich gefragt, was denn für mich der Unterschied zwischen der Gegend um die Langstrasse und Schwamendingen sei, wo doch beide den Ruf eines Ghettos haben. Ich finde, dass Schwamendingen komplexer ist, weil es viel mehr verschiedene Milieus beherbergt. Hier existiert noch das ruhige Leben, das jahrzehntelang die Schweiz bestimmt hat. Aber auch die ganzen neuen Einflüsse, die die Zukunft prägen werden: die Migranten, der Identitätsverlust, der massive Verkehr, der schwindende Wohlstand der breiten Masse.

Auch im Langstrassenquartier hat man sich ja intensiv um eine Imageverbesserung bemüht. Was mir als quasi Aussenstehende auffällt: Hier wie dort kommt sofort das Etikett «Ghetto» drauf, sobald sich normale Züge einer Grossstadt bemerkbar machen. Sehr lange hat man in der Schweiz offenbar gedacht, dass es die Vorteile der Stadt ohne die negativen Begleiterscheinungen geben könnte.

Wenn Schwamendingen so interessant ist, wieso braucht es dann Fluglärm und umfassende Verkehrsmassnahmen, damit über das Quartier gesprochen wird?
Vielleicht stammen viele Meinungsmacher in den Medien selbst aus irgendeiner Agglo im Mittelland mit Genossenschaftsblöcken und wollen als Städter mit diesem Milieu jetzt nicht mehr in Verbindung gebracht werden?

Hat das Buch schon begonnen, in Ihrem Kopf Gestalt anzunehmen?
Ja, die Thesen und Themen werden konkreter. Ich denke, der Ton des Buchs wird eher feuilletonistisch sein. Anhand des kleinen Schwamendingen kann man sich Gedanken über die Entwicklung des ganzen Landes machen. Mir geht es da wie vielen, die schon lange weg sind von dort, wo sie aufwuchsen. Wenn man zurückkommt, fällt einem sehr stark auf, was sich verändert hat, weil man die Bilder von früher besser konserviert hat als die Hiergebliebenen. Damit lässt es sich dann arbeiten. Das habe ich auch in «Grüezi und Willkommen. Die Schweiz für Deutsche» so gemacht.

Wann wird das Buch über Schwamendingen fertig sein?
Geplant ist Frühjahr 2007. Es soll ein schönes Hardcover mit rund 200 Seiten werden.

Hat sich denn schon ein Verlag gefunden?
Es gab schon vor Beginn der Recherche intensive Gespräche mit zwei Schweizer Publikumsverlagen. Es hat sich herauskristallisiert, dass das Buch sehr gut in das Programm des einen Verlags passen würde. Mit ihm sind wir übereingekommen, dass die endgültige Entscheidung am Ende der Recherchephase fällt, wenn ein Exposé und ein Probekapitel vorliegen. Das war von Anfang an so geplant.

Susann Sitzler, geboren 1970 in Basel, arbeitet seit 1996 als freie Autorin in Berlin. Sie lebt für zwei Monate in Schwamendingen, um für ein Buch über diesen Zürcher Stadtteil zu recherchieren. Sitzler ist über www.zuerich-schwamendingen.ch erreichbar.