Durch den Monat mit Heinrich Gartentor (Teil 3): Sind Sie elitär?
WOZ: Gibt es ein kulturpolitisches Thema, das Sie zurzeit beschäftigt?
Heinrich Gartentor: Ja: Das Folgerecht. Es geht dabei um einen Anteil, den die Kunstschaffenden bei Zweit- oder Drittverkäufen ihrer Werke erhalten sollen. Bis heute sehen sie ja nur Geld beim Erstverkauf, alle weiteren Gewinne gehen in die Taschen der Händler oder Sammler.
Der Bundesrat hat aber das Folgerecht gerade aus der Revision des Urheberrechts gekippt. Sehen Sie eine Chance, dass es doch noch kommt?
Wir können uns gar nicht erlauben, kein Folgerecht zu haben. Das wäre unklug. Das Folgerecht ist seit Anfang dieses Jahres in allen EU-Ländern Pflicht. Wenn wir es nicht einführen, dann wird die EU Druck ausüben, und dann müssen wir an einem anderen Ort wieder Kompromisse machen. Zudem wird der Kunstmarkt geschwächt, wenn wir das Folgerecht nicht einführen. Wenn wir das einzige Land in Europa sind, das kein Folgerecht hat, dann haben doch die Künstler überhaupt keine Lust mehr, in der Schweiz etwas zu verkaufen. Die kommen dann sicher nicht mehr mit ihren besten Arbeiten auf die Kunstmessen.
Das leuchtet ein …
Nehmen wir einen Schweizer
Künstler, der sich gut auf dem internationalen Markt hält. Er wird sicher nicht hier wohnhaft bleiben, sondern
in ein Land ziehen, in dem er die Folgerechtskohle kriegt. Das ist nur wirtschaftlich.
Der Schwarzhandel, der im Kunsthandel ja ziemlich häufig ist, würde schwieriger.
Das muss aufhören mit diesem Schwarzhandel an den Steuern vorbei. Damit wird vor allem der Staat geschädigt.
Das klingt ja sehr staatstreu.
Ich kenne natürlich die Argumente der Gegner und versuche, in der gleichen Logik zu argumentieren. Ich drehe die Argumente nicht um, ich setze sie nur richtig ein.
In Ihren Stellungnahmen zum Kulturförderungs- und zum Pro-Helvetia-Gesetz haben Sie die beiden Vorlagen als Kulturverwaltungsgesetz und Bürokratiebeschaffungsgesetz bezeichnet.
Ich bin kein Freund der Bürokratie. Und beim Kulturförderungsgesetz sind es vor allem die Schwerpunktprogramme, die mir gegen den Strich gehen. Es ist klar, dass die Programme zusätzlich Geld kosten. Da muss ein zusätzliches Budget bewilligt werden. Genau daran wird es im Parlament schon scheitern.
Sie haben sich als Anhänger einer starken Pro Helvetia geoutet. Aber ist es nicht absurd, mit dem wenigen Geld, das der Bund für die Kultur zur Verfügung hat, zwei staatliche Geldverteilungsapparate zu unterhalten?
Pro Helvetia verteilt nicht, Pro Helvetia fördert! Ich bin dagegen, dass das Bundesamt für Kultur die Oberaufsicht über die Pro Helvetia übernimmt oder diese gar ganz aufsaugt. Pro Helvetia ist im Ausland ein Gütesiegel erster Klasse. Mein Wunsch ist, dass Pro Helvetia mehr Risiko fördert. Es müsste dort eine eigene Abteilung geben, die dafür zuständig ist und auch interdisziplinäre Projekte fördert. Die fallen heute oft durch die Maschen.
Ist das nicht etwas illusorisch, eine risikofreudigere Pro Helvetia?
Überhaupt nicht. Genau hier ist die Politik gefragt. Sie müsste stolz sein auf die Pro Helvetia und ihr den Rücken freihalten.
Ist denn nicht das System der direkten Demokratie generell eher kulturfeindlich?
Wieso denn? In der Demokratie sind Respekt und Toleranz zwei tragende Säulen. Toleranz heisst nicht, Intoleranz zu tolerieren. Wer die beiden Grundsätze nicht akzeptieren kann, soll sich auch nicht Demokrat nennen.
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Kunst und Demokratie?
Es gibt so wenig demokratische Kunst, wie es demokratischen Fussball gibt. Man stelle sich vor, die Nationalmannschaft würde von National- und Ständerat gewählt und nicht mehr von Köbi Kuhn aufgestellt. Das gäbe einen schönen Schlamassel. Kuhn ist der Fachmann, das wird anerkannt.
Sie scheinen ein elitäres Kulturverständnis zu haben. Bereits beim letzten Treffen monierten Sie,
dass in der Kunst alle mitreden
wollen.
Mein Verständnis ist gar nicht elitär. Es ist im Gegenteil äusserst simpel: Wer mitreden will, soll sich damit befassen. Wer sich damit befassen will, muss neugierig sein. Wer neugierig ist, wird Kultur auf jeden Fall sexy finden.
Heinrich Gartentor, geboren 1965 auf der aargauischen Schafmatt, arbeitet als Autor, Internetaktivist und Aktionskünstler in Thun.