Durch den Monat mit Heinrich Gartentor (Teil 2): Ein Kilo Gartentor?

Nr. 15 –

WOZ: Herr Gartentor, Sie kommen gerade von einer Ausstellungseröffnung in München zurück. Haben Sie etwas verkauft?
Heinrich Gartentor: Es ist meine erste kommerzielle Ausstellung. Ich zeige in München nur verkäufliche «Flachware»: Bilder meines Arbeitstisches, den ich jeweils fotografiere, bevor ich aufräume. Das grösste Bild in der Ausstellung misst 375 auf 206 Zentimeter, es ist aus 200 Einzelbildern zusammengesetzt.

Also eher unverkäuflich?
Nun ja. Wenn ich sage «kommerzielle Ausstellung», dann meine ich damit, dass da eine Preisliste aufliegt und man theoretisch etwas kaufen kann. Ich kann ruhig noch ein paar Jahre warten, bis die grossen Teile weggehen.

Aber dass Sie nur «Flachware» zeigen, wie Sie es nennen, ist das ein Kompromiss an den Markt?
Bei der Grösse der Bilder kann man ja kaum von einem Kompromiss sprechen. Nur um dem Markt zu flattieren, mache ich doch keine kleinen Arbeiten! Die Bilder sind etwas gewöhnungsbedürftig. Sie geben Einblick in meine Arbeitsweise. Auf dem ersten Tisch liegt etwa eine Zeitung vom 10. September 2001, also dem Tag, bevor sich die Welt verändert hat. Die Meldung des Tages war der Wechsel von Formel-1-Fahrer Kimi Räikkönen für 17,5 Millionen Franken zu Mercedes.

Sport ist für Sie ein Thema. Was fasziniert Sie daran?
Mein nächster Roman handelt vom Fussball. Für mich ist Fussball etwas sehr Meditatives. Wenn ich ins Stadion gehe, dann habe ich dort oft sehr klare Gedanken, die ich dann zu Papier bringen muss. Und wenn es mal langweilig wird, dann schaue ich eben in die Berge. Im Moment muss ich das vor allem tun, wenn Thun spielt.

Ist es das Spielerische am Fussball, das Sie interessiert?
Nein, eher die Disziplin und das Mannschaftsgefühl. Man ist bereit, die Regeln zu akzeptieren, und nur wer die Regeln kennt, traut sich ein Urteil zu. Schön, wenn es in der Kunst auch so wäre.

In der Kunst gibt es keine so offensichtlichen Regeln wie im Fussball.
Genau, deshalb meinen wohl so viele, es genüge, einmal Zeichenunterricht gehabt zu haben, um über Kunst zu 
urteilen.

Mit ihrem Fussballbuch liegen Sie schlecht im Timing. Zurzeit kommen im Hinblick auf die WM jede Menge Fussballbücher heraus.
In zehn Jahren wird kein Mensch mehr danach fragen, wann das Buch erschienen ist.

Denken Sie immer so langfristig?
Nein, aber es ist eines meiner Prinzipien, mir vorzustellen, wie man etwas in zehn Jahren anschauen wird. Ich blättere zum Beispiel gerne alte Kunstzeitschriften durch, um zu sehen, was überhaupt noch präsent ist von dem, was dort gezeigt wurde. Da bekommt man plötzlich ein gesundes Verhältnis zu den Hypes, die ja im Kunstbetrieb extrem dominant sind. Nach zehn Jahren sind so viele Leute verschwunden, nicht nur Künstler, sondern auch Kuratoren. Deshalb haben mich Hypes nie interessiert.

Neben Fussball scheint Ihnen das Kochen wichtig zu sein. In Ihrem Roman «StartUp» gibt es etliche Verweise auf Rezepte, die auf Ihrer Website nachzulesen sind, darunter so Appetitanregendes wie Erdbeeren mit Sauerkraut.
Mich interessiert am Kochen in erster Linie die soziale Komponente. Ich habe mir zum Prinzip erhoben, nach einer Ausstellung für die ganze Belegschaft zu kochen – eine Art Anerkennung. Kochen ist etwas sehr Persönliches, man gibt sich Mühe für eine andere Person.

Aber warum diese befremdlichen Rezepte?
Angefangen hat es, als ich einmal nichts Brauchbares vorrätig hatte. Da habe ich halt zusammengemixt, was vorhanden war. So sind diese Experimente entstanden, die dann in Kunst und Literatur eingeflossen sind. Ehrlich: Ein in Cola gekochtes Huhn schmeckt wunderbar.

Eine Ihrer Aktionen heisst «Dünner». Dafür haben Sie sich zwölf Kilo Körperfett angefressen, die Sie dann einzeln auf eBay versteigert haben. Wie viele Kilos haben Sie verkauft?
Bis jetzt drei. Beim Letzten habe ich einen Tag lang eine Küche saniert, der Käufer muss ja ein Programm zusammenstellen, damit ich das Kilo verliere.

Was ist ein Kilo Gartentor wert?
Unwahrscheinliche acht Euro.

Das ist aber mager.
Ja, eine richtige Plackerei. Aber die Preise dürften endlich steigen! Das letzte Kilo habe ich übrigens nach Bangkok verkauft. Der Käufer wollte mir ein Kilo Lebendgewicht wegschneiden. Aber das ging mir zu weit. Deshalb läuft die Aktion noch. Angebote nehme ich gerne entgegen.

Heinrich Gartentor, geboren 1965 auf der aargauischen Schafmatt, arbeitet als Autor, Internetaktivist und Aktionskünstler in Thun.

www.gartentor.ch